Flexible Netzentgelte können Industrie entlasten, brauchen aber Entwicklung

von Hubert Hunscheidt

Grund ist die Anpassung einer Vorgabe der Netzentgeltverordnung durch die Bundesnetzagentur. Der entsprechende Paragraf ermöglicht Unternehmen mit einem weitgehend gleichmäßigen Strombezug ein reduziertes Netzentgelt. Netzentgelte machen einen erheblichen Anteil an den Strombezugskosten für Industrieunternehmen aus.

Die Festlegung wurde bereits Ende 2022 im Zuge der Energiekrise im Energiewirtschaftsgesetz (§ 118 Abs. 46a EnWG) vorgesehen und trat im Frühjahr 2023 in Kraft. Sie konnte aber aufgrund von hohen administrativen Hürden bisher nur von wenigen Unternehmen genutzt werden. Die Bundesnetzagentur hat die Hürden mit der Aktualisierung der Festlegung zu Beginn dieses Jahres weiter abgesenkt, Unternehmen können so vor allem den eigenen Stromverbrauch in Zeiten von Preisspitzen im Strommarkt reduzieren, ohne befürchten zu müssen, deshalb zusätzliche Netzentgelte zahlen zu müssen. Damit können die Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Stromsystems und zur Integration erneuerbarer Energien leisten. Der VIK begrüßt die pragmatische Ausgestaltung durch die BNetzA, hätte sich aber gewünscht, dass auch die Möglichkeiten zur Erhöhung des Stromverbrauchs bei niedrigen Strompreisen verbessert worden wären. Dadurch könnte die zuvor verminderte Produktion zeitnah wieder aufgeholt werden. Diese Nachholmöglichkeit besteht derzeit nur sehr eingeschränkt und ist mit großen finanziellen Risiken verbunden.

Individuelle Netzentgelte sind auch in Zukunft ein wichtiger Faktor für die Standortbedingungen der Industrie in Deutschland

Die bis Ende 2025 verlängerte Laufzeit der Festlegung ist aus Sicht des VIK zu kurz, um die nötigen Investitionen in die Flexibilisierung von Produktionsprozessen für die Bereitstellung von flexibler Stromnachfrage auszulösen. Für deren Umsetzung benötigen die Unternehmen mehr Zeit und Planungssicherheit. Die Festlegung sei jedoch eine Erleichterung im Hinblick auf die Nutzung heute bereits bestehender Flexibilitätspotenziale.

Mit Blick auf die bevorstehende Reform der Netzentgeltsystematik betont der VIK die Notwendigkeit, die Industrie in die Neugestaltung eng und frühzeitig einzubeziehen und industrielle Belange angemessen zu berücksichtigen. VIK-Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert: „Angesichts der steigenden Strom- und Netzentgeltkosten sowie der vorgesehenen Elektrifizierung von Industrieprozessen sind die individuellen Netzentgelte für die Industrie von großer Bedeutung und spielen eine zentrale Rolle für Standort- und Investitionsentscheidungen. Das muss bei der Reform unbedingt berücksichtigt werden.“
Der VIK ist seit über 75 Jahren die Interessenvertretung industrieller und gewerblicher Energienutzer in Deutschland. Er ist ein branchenübergreifender Wirtschaftsverband mit Mitgliedsunternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, wie Aluminium, Chemie, Glas, Papier, Stahl oder Zement. Der VIK berät seine Mitglieder in allen Energie- und energierelevanten Umweltfragen. Im Verband haben sich etwa 80 Prozent des industriellen Stromverbrauchs und rund 90 Prozent des versorgerunabhängigen industriellen Energieeinsatzes und rund 90 Prozent der versorgerunabhängigen Stromerzeugung in Deutschland zusammengeschlossen.

Quelle: VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. / Foto: marketSTEEL

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