Finanzvorstände erwarten keine schnelle konjunkturelle Erholung
von Hubert Hunscheidt
Vor dem Hintergrund der weltweiten Corona-Krise beleuchtet Deloitte in seinem neuen CFO Survey u.a. die Auswirkungen der Pandemie auf die deutsche Wirtschaft: Innerhalb kürzester Zeit haben sich die wirtschaftliche Lage wie auch die Geschäftsaussichten angesichts der krisenbedingten Einschränkungen in Deutschland und der Welt fundamental geändert. Die Aussichten sind entsprechend düster.
"Dass eine Rezession unvermeidlich ist, daran besteht kein Zweifel", konstatiert Dr. Alexander Börsch, Chefökonom bei Deloitte. "Entscheidend wird sein, wie lange und wie tief diese Rezession gehen wird. Angesichts des heftigen Absturzes bei den Geschäftsaussichten zeigen sich aber bereits jetzt sehr starke Effekte in der Wirtschaft, die vor allem die Investitionsplanung betreffen. Angesichts dessen überrascht es kaum, dass die befragten CFOs eher nicht mit einem schnellen Ende der Krise rechnen."
COVID-19 betrifft einen großen Teil der Wirtschaft in Deutschland. Wie die deutschen Unternehmen mit dieser Situation umgehen und was sie erwarten, zeigt sich im aktuellen Deloitte CFO Survey: Für dessen Frühjahrsausgabe 2020 wurden zwischen dem 10. März und dem 1. April die Finanzvorstände deutscher Großunternehmen über die aktuelle Haltung und weitere Entwicklung befragt - beginnend mit dem Zeitpunkt, an dem die Weltgesundheitsorganisation WHO den Ausbruch von COVID-19 zur Pandemie erklärte.
CFOs wollen weniger investieren
Die Corona-Krise hinterlässt bereits tiefe Spuren: So fielen die Geschäftsaussichten deutscher Unternehmen auf ein Rekordtief seit 2012, als der erste CFO Survey erhoben wurde. Drei Viertel der befragten Finanzvorstände zeigen sich deutlich pessimistischer als noch vor drei Monaten, während gerade mal ein Fünftel der CFOs die Geschäftsaussichten ihres Unternehmens unverändert einschätzen. Der Trend zu einer Verschlechterung der Geschäftsaussichten, der sich schon 2018 bemerkbar machte, hat sich also massiv beschleunigt.
Der Einbruch bei den Geschäftsaussichten betrifft die Investitionspläne und die Einstellungsbereitschaft der deutschen Unternehmen gleichermaßen: So planen 63 Prozent der CFOs einen leichten oder starken Rückgang ihrer eigenen Investitionen, etwa die Hälfte erwartet über die kommenden 12 Monate einen Rückgang der Beschäftigtenzahl. Diese Werte standen nur während der Eurokrise 2012 noch niedriger.
Unternehmen setzen vor allem auf Sicherheit
Auch das gefühlte Unsicherheitsniveau erreicht nahezu die Werte der Eurokrise: 78 Prozent der befragten CFOs stufen die Unsicherheit im ökonomischen Umfeld als "hoch" oder "sehr hoch" ein; dies kommt dem Spitzenwert von 80 Prozent in der Eurokrise 2012 sehr nahe. Entsprechend hat die Krise die unternehmerischen Prioritäten geändert: Standen im vergangenen Herbst die strategische Bedeutung der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie die Expansion in neue Märkte oben auf der Agenda, so haben nun wichtige Punkte wie Kostensenkungen und Verschuldungsabbau deutlich zugelegt. Insgesamt ist durchweg ein Zurückfahren von offensiven Geschäftsstrategien zugunsten von defensiven zu beobachten.
COVID-19 sortiert die Risikobewertung in Unternehmen neu
Die Risikofaktoren haben sich aus CFO-Sicht ebenfalls drastisch gegenüber der letzten Befragung geändert. Den stärksten Anstieg verzeichnet die Untersuchung bei einer möglichen Instabilität des Finanzsystems (von 21 auf 49 %). Insgesamt wurden die Themen Fachkräftemangel (59 %) und geopolitische Risiken (60%), die bislang die Risikowahrnehmung dominierten, von der Furcht vor einer sich abschwächenden Inlandsnachfrage (77 %) überholt.
Unter den geopolitischen Risiken, immer noch der zweitwichtigste Risikofaktor, fürchten CFOs in der aktuellen Lage die Unterbrechungen der Wertschöpfungskette durch Epidemien am meisten (76 %); der Handelskonflikt zwischen den USA und China (40 %) und zwischen den USA und der EU (32 %) sowie ein harter Brexit (27 %) sind dagegen zumindest vorübergehend deutlich in den Hintergrund getreten.
Großteil deutscher Unternehmen befürchtet Umsatz- und Ertragsrückgang
Während nur 17 Prozent der Unternehmen keine Auswirkungen befürchten, erwarten 42 Prozent auf Sicht von sechs Monaten einen Rückgang ihrer Erträge um mehr als ein Zehntel; 87 Prozent haben Geschäftsreisen und ihre generellen Ausgaben reduziert, 72 Prozent neue oder alternative Arbeitsregelungen getroffen. Bei knapp ein Fünftel der Befragten wurden langfristige Investitionen zurückgestellt, nur acht Prozent arbeiten schon an neuen Kreditfazilitäten. Bei den Umsatzerwartungen wird die realwirtschaftliche Tragweite der gegenwärtigen Entwicklungen deutlich: Lag selbst während der Eurokrise der Index der Umsatzerwartungen im Plusbereich, so befürchten aktuell 63 Prozent der Unternehmen einen Rückgang in den kommenden 12 Monaten; jeweils 18 Prozent hingegen gehen von keiner Veränderung oder sogar von einem leichten Anstieg aus.
CFOs hoffen auf Besserung in 2021
Die Auswirkungen von COVID-19 schätzen die CFOs eher pessimistisch ein, ein V-förmiger Aufschwung, wie er in vielen Konjunkturprognosen erwartet wird, ist nicht die Mehrheitsmeinung. 60 Prozent planen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung bis ins zweite Halbjahr hinein und sehen ab 2021 eine Konjunkturerholung. Ein Fünftel glaubt an einen nur kurzfristigen konjunkturellen Einbruch, dem im zweiten Halbjahr eine Gegenbewegung folgt. 10 Prozent rechnen mit einem Worst-Case-Szenario und einem langfristigen Einbruch der Wirtschaftsleistung.
"Der aktuelle CFO Survey spricht eine deutliche Sprache", sagt Rolf Epstein, Partner bei Deloitte und verantwortlich für das CFO Program: "Demnach stellen sich deutsche Unternehmen wohl überwiegend auf eine Konjunkturentwicklung ein, die weniger einem V-Szenario entspricht - also einem Einbruch mit direkt anschließender rascher Erholung - als vielmehr einem U-Szenario, in dem es nach einer Phase der Stagnation mit Zeitverzögerung wieder aufwärtsgeht. Bis dahin steht Kostenmanagement ganz oben auf der CFO-Agenda."
Der komplette CFO Survey Frühjahr 2020 steht hier zur Verfügung.
Quelle: Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / Vorschaufoto: fotolia