Für Entwarnung am Gasmarkt ist es viel zu früh

von Angelika Albrecht

Die Preise am europäischen Gasmarkt gaben zuletzt spürbar nach: Heute notierte der Preis für den 1-Monats-Forward mit 103 EUR je MWh gut 30% niedriger als knapp zwei Wochen zuvor. Allein am Freitag letzter Woche verbilligte sich der Referenzpreis für europäisches Erdgas am Handelspunkt TTF um rund 13%. Maßgeblich dafür dürfte die Aussicht auf die nun wieder milderen Temperaturen gewesen sein, meint die Commerzbank. Schließlich hat die zuletzt kalte Witterung deutliche Spuren hinterlassen: Die Speicherfüllstände in der EU sind in den letzten zwei Wochen überdurchschnittlich stark gefallen; in Deutschland war der Rückgang deutlich stärker als üblich.

Immerhin sind die Füllstände mit 84% in der EU bzw. 88% in Deutschland noch immer 10 bzw. 11 Prozentpunkte höher als üblich, so dass noch ein hinreichender Puffer besteht. Entwarnung wollen die Commerzbank-Analysten noch keinesfalls geben, da der Winter noch mindestens zwei Monate anhält, die Witterung auch schnell wieder drehen und die Nervosität erneut anziehen kann. Ziel muss es sein, mit einem möglichst hohen Füllstand aus dem Winter zu kommen, da das Wiederauffüllen der Gasvorräte für den darauffolgenden Winter ohne russisches Pipelinegas merklich schwieriger werden dürfte.

Dies wird vornehmlich durch den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) erfolgen müssen. Auch hier gab es am vergangenen Wochenende eine entlastende Meldung: So wurde in Wilhelmshaven das erste schwimmende LNG-Terminal in Deutschland eröffnet, eine sogenannte Floating Storage and Regasification Unit (FSRU). Die Inbetriebnahme gilt als wichtiger Beitrag zur Energiesicherheit. Letztlich können damit aber nur 6% des deutschen Erdgasbedarfs ins Netz eingespeist und nur ein Bruchteil der wegfallenden Pipelineimporte aus Russland kompensiert werden, die vor einem Jahr noch rund die Hälfte des deutschen Erdgasbedarfs abdeckten. Mit dem ersten LNG-Terminal in Deutschland ist damit also nur ein Anfang gemacht. Fünf weitere sollen folgen, um Deutschland möglichst unabhängig von Erdgasimporten aus Russland zu machen. Allerdings bleibt das weltweit verfügbare LNG-Angebot im nächsten Jahr weitgehend konstant. Um hinreichend LNG-Lieferungen nach Europa zu locken, muss daher das Preisniveau hoch genug sein, meint die Commerzbank.

Allerdings: Um massive Preisanstiege wie im Frühjahr und im Spätsommer künftig zu verhindern, haben sich die zuständigen EU-Energieminister nach langen Beratungen gestern auf einen Preisdeckel für den Gaseinkauf geeinigt: Der sogenannte Markt-Korrekturmechanismus soll greifen, wenn der Kontraktpreis für den nächsten Monat drei Tage hintereinander über 180 EUR je MWh notiert und gleichzeitig die Abweichung vom globalen LNG-Preis, der noch zu definieren ist, mehr als 35 EUR je MWh beträgt. Der Mechanismus soll am 15. Februar 2023 starten. Damit ist der Preisdeckel deutlich niedriger als zunächst von der EU-Kommission vorgeschlagen (275 EUR).

Quelle: Commerzbank AG / Commerzbank Commodity Research / Vorschaubild: steven magnascan, pixabay

Zurück