Für die Reform des EU-Zollrechts ist Entlastung notwendig
von Hubert Hunscheidt
Durch ständige Erweiterung wird der Rechtsrahmen des Unionszollkodex (UZK) für Unternehmen und Zoll immer weniger überschaubar und beherrschbar.
Digitalisierung konsequent umsetzen
Kernpunkte der Modernisierung des Zollrechts sind die Digitalisierung sämtlicher Zollprozesse und die IT-technische Verknüpfung aller beteiligten Akteure. Weitere Verzögerungen darf es hier nicht geben. Die Bandbreite möglicher Vereinfachungen ist groß: Ansätze sind die Digitalisierung und Flexibilisierung von Zollverfahren – beispielsweise durch die sogenannte „Zentrale Zollabwicklung bei der Einfuhr“ oder das Single-Window zur einmaligen Eingabe von Zolldaten und Dokumenten an einem zentralen Ort. Nur ein ganzheitlich elektronisches Zollmanagement kann die Digitalisierungsdividende für Unternehmen und Zoll bestmöglich ausschöpfen.
Anders als 2016 im UZK festgelegt, ist es der EU und den Mitgliedstaaten nicht gelungen, sämtliche Zollverfahren in der vorgesehenen Übergangsfrist bis Ende 2020 zu digitalisieren. Stattdessen soll die Implementierung der zollbezogenen IT-Verfahren erst Ende 2025 abgeschlossen sein – zehn Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmungen. Für Unternehmen bedeutet dies: Verbesserungen sind bisher nur sehr eingeschränkt spürbar. Den unzureichenden Fortschritt bei der Umsetzung des UZK konstatiert die EU-Kommission selbst in ihrem eigenen Halbzeitbericht vom Mai 2022.
Nach der Reform ist vor der Reform
Die „Wise Persons Group“ (WPG), ein aus zwölf hochrangigen externen Fachleuten zusammengesetztes Gremium, veröffentlichte Ende März 2022 einen „Bericht zur Reform der EU-Zollunion“. Er konstatiert den gestiegenen Handlungsdruck, die Modernisierung des EU-Zollrechts endlich zu forcieren. Einige wichtige Empfehlungen betreffen die Bereiche Digitalisierung, Harmonisierung und Vereinfachung des EU-Zollrechts. So wird zum Beispiel die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes bei der Erhebung und Nutzung von Zolldaten betont. Insbesondere sollten die zuständigen Behörden bereits existierende Daten für Zollverfahren nutzen, anstatt zusätzliche Daten allein für Zollzwecke abzufragen.
Des Weiteren bekräftigt der Bericht, dass Zollbehörden bei besonders vertrauenswürdigen Unternehmen, sogenannten „Authorised Economic Operator“ (AEO), Risikokontrollen und Zollabgaben nicht mehr bei jeder einzelnen Sendung ansetzen. Stattdessen könnten diese Vorgänge periodisch zusammengefasst in regelmäßigen Zeitabständen erfolgen. Dies würde Unternehmen mit AEO-Status unter anderem einen Liquiditätsvorteil verschaffen. Gleichzeitig fehlt in dem Bericht allerdings eine klare Aufforderung, bereits rechtlich geregelte Vereinfachungen für AEOs schnellstmöglich umzusetzen. Ein Beispiel: Der UZK legt schon heute fest, dass Unternehmen für alle Zollschulden, die möglicherweise bei der Nutzung vieler verschiedener Zollverfahren in vielen verschiedenen Mitgliedstaaten entstehen, nur eine einzige Gesamtbürgschaft hinterlegen müssen. Die IT-technische Umsetzung dieser und anderer Vereinfachungen darf angesichts neuer Vorschläge nicht unter den Tisch fallen.
Darüber hinaus enthält der WPG-Bericht keine klaren Empfehlungen für eine konsequente Entbürokratisierung. Im Gegenteil: Mit der Schaffung einer neuen EU-Zollbehörde oder der Einführung eines neuen, sehr vage beschriebenen Systems zur Hinterlegung von Zollsicherheiten („ABC-Modell“) drohen zusätzliche bürokratische Strukturen. Der DIHK dagegen fordert deutlich weniger Bürokratie. Der Unionszollkodex und die Zollunion sollten regelmäßig auf Möglichkeiten zur Entlastung von Unternehmen und Zoll überprüft werden.
IHK-Organisation unterbreitet Vereinfachungsvorschläge
Die EU-Kommission beabsichtigt, auf Grundlage des WPG-Berichts bis Januar 2023 ein umfassendes Zollreformpaket vorzulegen. Der DIHK hat sich in enger Abstimmung mit den IHKs an entsprechenden Konsultationen intensiv beteiligt und konkrete „Vorschläge für Vereinfachungen im EU-Zollrecht“ in Brüssel platziert. Er wird sich auch künftig in Reformvorhaben im Zollbereich für eine Entlastung der Wirtschaft einsetzen.
Quelle: DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V. / Foto: Fotolia