EZB senkt Leitzins erstmals auf Null

von Hans Diederichs

In einer umstrittenen Maßnahme hat EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag verkündet, den Leitzins für die Refinanzierung der Banken erstmals auf 0,0 Prozent abzusenken. Damit soll die Kreditnachfrage angekurbelt und ein Preisrückgang auf breiter Front verhindert werden. Bisher hatte der Leitzins bei 0,05 Prozent gelegen. Gleichzeitig wurden der Einlagenzins für Banken auf minus 0,4 Prozent gesenkt und weitere Ankäufe von Staatsanleihen beschlossen. Der Kampf gegen die Deflation gehe weiter, sagte Draghi am Donnerstag in Frankfurt.

Finanzmarktexperten und Banker sind alarmiert

Der Ökonom Sascha Steffen, Leiter des Forschungsbereichs "Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement" am ZEW, hält diesen Kurs für falsch: "Die EZB-Entscheidung stellt die Banken auch in Zukunft vor massive Probleme und ist ein Risiko für die Finanzmarktstabilität in Europa", sagte Steffen. "Gerade die kleinen und mittelgroßen Banken sowie Sparkassen, die von Fristentransformationen leben, werden durch die Entscheidung benachteiligt. Sie werden in Zukunft Probleme haben, profitabel zu arbeiten. Zudem ist nicht klar, ob die Strategie der EZB aufgeht. Die Banken könnten gezwungen sein, die Zinsen zu erhöhen, um profitabel zu arbeiten. Dies würde der Strategie der EZB widersprechen", fügte der Wirtschaftsforscher hinzu. Schon Anfang März hatte sich Deutsche-Bank-Chef John Cryan ähnlich geäußert.

Harsche Worte kamen auch von Hans-Werner Sinn, dem scheidenden Präsidenten des Münchner ifo-Instituts: "Diese Umverteilungspolitik ist keine Geldpolitik, und es fällt der EZB immer schwerer, sie als eine solche zu verkaufen. Da sie sich durch den Europäischen Gerichtshof gedeckt sieht, wagt sich die EZB immer weiter über die Grenzen ihres Mandats hinaus“, sagte er am Donnerstag. Auch die Ausweitung der Anleihekäufe von 60 auf 80 Milliarden Euro pro Monat bemängelte er: „Mehr Wasser hilft nicht, wenn die Pferde nicht saufen wollen“, sagte Sinn. „Die EZB scheint am Ende ihres Lateins angekommen.“

Quelle: marketSTEEL; Foto: marketSTEEL / us

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