EU-Ministerrat stellt Stahlindustrie auf den Prüfstand
von Hans Diederichs
Die EU-Wirtschaftsminister tagten am Montag in Brüssel, um sich einen Überblick über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlbranche zu verschaffen. Das Notfalltreffen war in der Vorwoche durch den britischen Minister für Wirtschaft, Innovation und Ausbildung, Sajid Javid, einberufen worden, nachdem mehrere Stahlwerke in Großbritannien Kündigungen in Aussicht gestellt hatten.
Allein im letzten Monat hatten britische Stahlerzeuger den Abbau von 3.300 Arbeitsplätzen angekündigt. Während des Treffens der Minister wurde jedoch schnell deutlich, dass die gegenwärtigen Wettbewerbsprobleme auch andere Stahlhersteller, vor allem in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien betreffen. Der europäische Stahlverband Eurofer beziffert den Verlust an Arbeitsplätzen im Stahlsektor auf 85.000 (mehr als 20 Prozent der Gesamtheit) in den vergangenen zehn Jahren. Etwa 5.000 Jobs wurden demnach allein im vergangenen Quartal abgebaut.
Maßnahmen von 2013 nur ungenügend umgesetzt
Die EU ist nach China der bedeutendste Stahlhersteller der Welt mit einem Ausstoß von knapp 180 Megatonnen im Jahr, was einem Anteil an der Weltstahlproduktion von rund 11 Prozent entspricht. In 23 der 28 EU-Mitgliedsstaaten gibt es zusammen rund 500 Stahl erzeugende Betriebe.
Der maltesische Wirtschaftsminister Chris Cardona kritisierte, dass der aktuelle, 2013 von der EU-Kommission vorgelegte "AKtionsplan Stahl" sich als nicht effektiv erwiesen habe. Der Ministerrat will daher eine hochrangig besetzte Konferenz mit allen Beteiligten aus der Stahlbranche einberufen, um die Wirksamkeit der 2013 beschlossenen Maßnahmen zu überprüfen. Sowohl Arbeitgeber als auch Verbandsspitzen und Arbeitnehmervertreter sollen an der Konferenz teilnehmen. Ein Termin wurde noch nicht genannt.
In ihrem Abschlusskommuniqué einigten sich die EU-Wirtschaftsminister unter anderem auf folgende Maßnahmen:
- Verstärkung des Dialogs mit den Partnern innerhalb der OECD und eingehende bilaterale Diskussionen über den Zustand des Weltstahlhandels mit wichtigen Erzeugerländern wie China, Russland, Weißrussland und der Türkei.
- Volle Nutzung bestehender Handelsschutzmaßnahmen und eine konstruktive Debatte über weitergehende Maßnahmen, mit einem besonderen Fokus auf deren Transparenz und Wirksamkeit.
- Prüfung der Möglichkeit von zusätzlichen Industrie-Hilfen für die Aus- und Weiterbildung, für Investitionen und die Erschließung neuer Märkte.
- Eine rasche Umsetzung des Maßnahmenkatalogs der Europäischen Energieunion, eine Überprüfung der Regeln für den CO2-Emissionshandel und eine bestmögliche Integration der Stahlindustrie im Lichte der geplanten Regulierungen zur Kreislaufwirtschaft.
Weitere Spitzen-Treffen geplant
Der stellvertretende Premierminister und Wirtschaftsminister von Luxemburg, Etienne Schneider, der den Vorsitz bei dem Ministertreffen am Montag führte, zeigte sich mit dem Verlauf der Gespräche zufrieden. "Wir haben uns auf konkrete Aktionspunkte verständigt. Dazu zählen ein bestmöglicher Gebrauch vorhandener Instrumente zum Handelsschutz und die Nutzung aller Möglichkeiten, die uns die EU-Hilfsprogramme und der Juncker-Plan bieten. Weitere Treffen zu diesen Themen werden bald stattfinden."
Quellen: Eurofer, EU-Minsterrat, marketSTEEL; Vorschau-Foto: Der britische Wirtschaftsminister Sajid David am Montag in Brüssel; Beitrags-Bild (v.l.n.r.): Jyrki Katainen, Vizepräsident der EU-Kommission und Etienne Schneider, Luxemburger Minister für Wirtschaft und Außenhandel (Fotos: The European Union)