Energiehunger beflügelt Pipelinebau

von Alexander Kirschbaum

Bei den Pipelineplanungen spielt Europa eine wichtige Rolle. Deren Industrieländer dürsten nach Gas, um die Versorgung von Unternehmen und Haushalten zu sichern. Ein Mega-Projekt, die Nord Stream, wurde bereits fertiggestellt. Der zweite und letzte Pipelinestrang von Russland nach Deutschland durch die Ostsee nahm 2012 seinen Betrieb auf. Beide Stränge, die sich jeweils über 1.224 Kilometer erstrecken, verfügen zusammen über eine Kapazität von rund 55 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr. Jeder der beiden Leitungsstränge setzt sich aus rund 100.000 Rohren zusammen.

TAP und TANAP lassen Rohrhersteller jubeln

Zur Freude der Rohrhersteller und -zulieferer sind weiter Mega-Projekte in Arbeit. So wird zum Beispiel 2020 die Trans-Adria-Pipeline (TAP) fertiggestellt. Über einen Großauftrag für die TAP darf der Stahlkonzern Salzgitter jubeln. Das Unternehmen liefert etwa 270 Kilometer Großrohre mit einer Gesamttonnage von 170.000 Tonnen – hauptsächlich in den Abmessungen von 48“ – und rund 1.660 Rohrbögen. Mit der Fertigung und Auslieferung der Großrohre durch Europipe, einem Joint Venture des Salzgitter-Konzerns und der AG der Dillinger Hüttenwerke, wurde bereits begonnen. Im Februar 2017 soll die Produktion enden.

Durch die TAP als einem südeuropäischen Gaskorridor strömt das Erdgas von Griechenland aus über Albanien und durch das Adriatische Meer bis nach Süditalien, die Kapazität liegt jährlich bei zehn bis 20 Milliarden Kubikmeter. Sinn macht der Bau der TAP allerdings vor allem durch einen weiteren Pipeline-Baustein, die transanatolische TANAP. Sie transportiert das Erdgas vom aserbaidschanischen Gasfeld Shah Deniz II quer durch die Türkei bis an die Grenze der EU – und hier übernimmt die TAP. Die TANAP hat eine Kapazität von 16 Milliarden Kubikmetern. Nach Anschluss an die Transadriatische Pipeline TAP könnte die erste Gaslieferung erfolgen.

Pipeline-Monitoring und Glasfaserkabel

ABB liefert für die TANAP Pipeline-Monitoring- und Sicherheitssysteme, einschließlich Glasfaserkabeln zur Datenübertragung entlang der Pipeline sowie Steuerungssysteme und Telekommunikationsanlagen. Aber nicht nur der süd- und osteuropäische Raum ist für den Pipelinebau interessant – auch die Nordsee besitzt reichhaltige Energiequellen. Ab Ende 2019 soll das Johan-Sverdrup-Ölfeld in der Region Utsira High, 140 Kilometer vor der Küste Stavangers, ausgebeutet werden. Die Ölblase befindet sich 120 Meter unterhalb des Wasserspiegels und ist 1.900 Meter tief. Zunächst werden die Processing Platform, die Riser Platform, Drilling Platform und die Living Quarters Platform errichtet. Über eine Pipeline sollen ca. 550.000 Barrel Öl am Tag zum norwegischen Mongstad Terminal in Horaland transportiert werden. Geschätzt werden so zwischen 1,8 und 2,9 Milliarden Barell gewonnen, erst 2050 soll die Förderung enden.

Den Auftrag für die Fertigung und Lieferung von längsnahtgeschweißten korrosionsbeständigen Rohren für das Johan-Sverdrup-Ölfeld erhielt Butting. „Das Auftragsvolumen umfasst bis jetzt schon fast 1.000 Tonnen der Materialien Duplex, Superduplex sowie 6 Moly“, erklärt Christian Schenk aus der Abteilung CRA Pipes. Die Abmessungen reichen dabei von 6“ bis 30“ mit einer Wanddicke von 3 mm bis 40 mm.

Flüssiggas befeuert den US-Pipelinebau

Weltweit ist Bewegung in den Pipelinebau gekommen. So wurde im vergangenen Dezember mit dem Bau der knapp 1.700 Kilometer langen Trans-Afghanistan-Pakistan-Pipeline begonnen. Nach Inbetriebnahme sollen innerhalb von 30 Jahren rund 33 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch die Pipeline von Turkmenistan nach Afghanistan, Pakistan und Indien transportiert werden, berichtet die AHK (Delegation der Deutschen Wirtschaft für Zentralasien). In drei bis vier Jahren begänne sie mit dem Transport. Experten halten die Trans-Afghanistan-Pakistan-Pipeline von entscheidender Bedeutung für die Deckung des rapide wachsenden Energiebedarfs auf dem Subkontinent.

In den USA entsteht derzeit eine 440 Kilometer lange Flüssiggasleitung quer durch Texas vorbei an Dallas und Houston bis nach Mont Belvieu am Golf von Mexiko. ThyssenKrupp Steel Europe liefert für die Pipeline insgesamt 44.000 Tonnen Warmbreitband der Güte X70 für die Rohre. „Dabei handelt es sich um einen mikrolegierten Feinkornstahl mit einer Streckgrenze von 485 Megapascal“, erläutert ThyssenKrupp Steel.

Pipelinestähle für extreme Anforderungen

Pipelinestähle für den Öl- und Gastransport müssen besonderen, zum Teil extremen Anforderungen genügen. Es geht dabei nicht nur um Langlebigkeit der Stähle: „Hinzu kommen Erfordernisse, sowohl dem hohen Betriebsdruck beim Rohstofftransport, hohen mechanischen Beanspruchungen als auch Umwelteinflüssen wie extremen Temperaturen standzuhalten. Hier sind spezifische Werkstoffeigenschaften in punkto Festigkeit und Zähigkeit gefordert“, betont das Unternehmen.

Ausgeliefert wurde das Warmbreitband in die Türkei, wo Borusan Mannesmann die Leitungsrohre produziert. Borusan, exklusiver Rohrlieferant für das texanische Pipelineprojekt, stellte in diesem Projekt auch zum ersten Mal 24,5 Meter lange Spiralrohre her. 2016 wird die Endfertigung vor Ort in den USA stattfinden.

Ob Nord Stream, TAP oder Johan-Sverdrup-Ölfeld – die Pipelinerohre müssen also widrigen Umständen standhalten. Für die nötige Widerstandsfähigkeit sorgt die passende Außenbeschichtung der Rohre. Sie soll die Stahlrohre vor Korrosion schützen. „Bei in der Erde oder im Wasser verlegten Pipelines wird die schützende Lackschicht direkt auf die Metalloberfläche aufgetragen“, erläutert das Deutsche Lackinstitut. Mit Schichtdicken zwischen 300 und 500 Mikrometern biete sie für lange Zeit einen wirksamen Schutz vor Korrosion und anderen Umwelteinflüssen.

Quelle: Messe Düsseldorf Vorschau-Foto: Fotolia

Zurück