EMI: Rezession in der Industrie hat sich im Januar abgeschwächt
von Hubert Hunscheidt
Der Abschwung im Verarbeitenden Gewerbe Deutschlands hat sich im Januar weiter verlangsamt. Das signalisiert der von S&P Global erhobenen HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI). Danach konnte der wichtige Konjunkturfrühindikator seinen Aufwärtstrend zu Jahresbeginn fortsetzen und sich den sechsten Monat in Folge verbessern. Mit 45,5 Punkten nach 43,3 im Dezember erreichte der EMI den höchsten Stand seit Februar 2023, notierte aber erneut unter der Wachstumsschwelle von 50,0.
Den aktuellen EMI-Umfrageergebnissen zufolge fielen die Rückgänge bei Produktion, Auftragseingang und Einkaufsmenge so geringfügig aus wie seit mehreren Monaten nicht mehr. Dennoch hielt der Job-Abbau in der Branche an. Dies kann auf die geringeren Auslastungen sowie die verhaltenen Geschäftsaussichten zurückgeführt werden. Die seit Ende 2022 sukzessive Verbesserung der Lieferzeiten kam im ersten Monat des neuen Jahres fast zum Stillstand. Das lag unter anderem an den Vorfällen im Roten Meer und den daraus resultierenden Verzögerungen im Frachtverkehr aus Asien.
„Die deutsche Industrie tritt zu Jahresbeginn weiter auf der Stelle. Zwar hat laut jüngstem EMI der Abschwung im Januar nachgelassen, gleichzeitig fehlt aber die Kraft für eine echte konjunkturelle Trendwende“, betonte BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov. Offensichtlich drückten immer neue Hiobsbotschaften wie die Haushaltskrise der Ampelkoalition, Lieferketten stressende Bahnstreiks im Güterverkehr, anhaltende Bauernproteste oder die Behinderungen der internationalen Containerschifffahrt im Roten Meer auf Stimmung und Geschäfte der Unternehmen. Eine Trendwende jenseits der 50,0-Punkte-EMI-Wachstumsschwelle sei daher kurzfristig nicht zu erwarten. Dafür spreche auch, dass sowohl der Gesamtindex als auch die meisten EMI-Teilindizes in der Schrumpfungszone verharrten.
„Die Richtung stimmt, die Dynamik muss aber noch zunehmen“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die deutsche Industrie sei immer noch schwach, allerdings signalisiere der EMI eine sukzessive Besserung. Damit das so weitergeht, müssen zwei Faktoren erfüllt sein. Erstens: Notwendigkeit einer Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und zweitens eine Erholung der weltweiten Industriekonjunktur. „Das zweite scheint wahrscheinlicher als das erste. Das wäre zumindest ein Anfang“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
„Mit diesen Werten steigt das Risiko einer weiteren Schrumpfung der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal. Es ist ein gefährlicher Mix aus Frustration über die Wirtschaftspolitik und die geopolitischen Risiken, der auf der Unternehmensstimmung lastet“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.
„Hohe Kosten für Energie, Kapital, Personal aber auch überbordende Bürokratie bleiben eine Belastung für die Industrie. Hinzu kommt vielfach die anhaltende Auftragsflaute“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen dem BME mit. Einige Unternehmen spürten bereits die negativen Auswirkungen der Sicherheitslage im Roten Meer auf ihre Lieferketten. Derzeit – auch aufgrund der allgemeinen Nachfrageschwäche – halte sich der wirtschaftliche Schaden aber noch in Grenzen. Auf lange Sicht könnten die Lieferkettenstörungen die Konjunktur belasten, selbst wenn es sich nur um Verzögerungen handele. Denn die weltweiten Frachtkapazitäten seien begrenzt. Zenzen: „Der Ausblick für das Verarbeitende Gewerbe bleibt insgesamt leider ungewiss.“
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dennis Rheinsberg, Direktor - Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Die Entwicklung der Einkaufspreise im Januar korrespondiert mit den negativen Erwartungen in Bezug auf die BIP-Entwicklung im ersten Quartal. Die überwiegend seitwärts laufenden Notierungen der börsennotierten Industrierohstoffe signalisieren kaum Impulse von der Nachfrageseite. Lediglich einige Stahlsorten zogen wie im Vormonat an. Die Energierohstoffe tendierten uneinheitlich: während Rohöl leicht anzog, gaben die Erdgaspreise vor dem Hintergrund komfortabel gefüllter Speicher, guter LNG-Versorgung und einer insgesamt verhaltenen Nachfrage deutlich nach.“
Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:
Produktion: Der Rückgang der Industrieproduktion schwächte sich im Januar weiter ab, wie der saisonbereinigte Teilindex mit dem dritten Anstieg in vier Monaten signalisiert. Auch wenn er damit auf den höchsten Wert seit Mai 2023 kletterte, fiel die Schrumpfung wieder deutlich aus. Ein stärkeres Minus im Konsumgüterbereich wurde durch geringere Einbußen im Vorleistungs- und Investitionsgüterbereich mehr als ausgeglichen.
Auftragseingang: Die Nachfrageflaute im Verarbeitenden Gewerbe hält weiter an. Das lag unter anderem an den immer noch gut gefüllten Lagerbeständen, den ungünstigeren Finanzierungsbedingungen und den geopolitischen Spannungen. Der Aufwärtstrend des Teilindexes setzte sich allerdings fort.
Auftragseingang Export: Das schlechte Exportgeschäft drückte auch im ersten Monat des Jahres die Verkaufszahlen der Hersteller. Demnach schrumpfen die Neuaufträge aus dem Ausland seit mittlerweile fast zwei Jahren durchgehend – das ist die längste Sequenz seit Beginn der Datenerfassung im Jahre 1996. Zahlreichen Umfrageteilnehmern zufolge ist der europäische Markt nach wie vor der große Schwachpunkt.
Geschäftsaussichten: Der Optimismus in den Chefetagen der deutschen Industrieunternehmen ist im Januar etwas zurückgegangen. Nachdem er im Dezember ein 8-Monatshoch erreicht hatte, notierte der Teilindex etwas niedriger. Zwar blieb er über der neutralen Referenzlinie von 50,0 Punkten, lag mit 51,4 aber unter dem langjährigen Mittelwert von 55,3. Der jüngste Trend spiegelt die anhaltenden Unsicherheiten unter den Firmen wider, und zwar nicht nur hinsichtlich der deutschen Wirtschaft, sondern auch im Zusammenhang mit den internationalen Konflikten.
Beschäftigung: Der Job-Abbau im Verarbeitenden Gewerbe setzte sich im Januar fort. Der siebente Rückgang in Folge fiel dabei erneut kräftig und nahezu unverändert gegenüber dem Vormonat aus, als das größte Minus seit über drei Jahren zu Buche schlug. Angesichts der schwachen Nachfrage reduzierten viele Firmen die Anzahl ihrer Leiharbeiter und ließen frei gewordene Stellen vorerst unbesetzt.
Einkaufspreise: Die Januar-Daten zeigen, dass der Abwärtstrend bei den Einkaufspreisen anhält. Zwar stieg der entsprechende saisonbereinigte Teilindex im Vergleich zu Dezember leicht auf den höchsten Stand seit neun Monaten an, er blieb aber deutlich unter der Referenzlinie von 50,0 Punkten. Einige Befragte berichteten von höheren Transportkosten infolge der Umleitung von Containerschiffen um Afrika. Dieser Effekt wurde allerdings durch die anhaltend rückläufigen Rohstoffpreise sowie die Preisnachlässe der Zulieferer überkompensiert.
Verkaufspreise: Zum Jahresanfang sind die Verkaufspreise weiter gesunken. Die Deflationsrate zog gegenüber dem Vormonat leicht an, war aber dennoch die zweitschwächste in der aktuell achtmonatigen Schrumpfungsphase. Am stärksten senkten die Hersteller von Vorleistungsgütern ihre Preise, da hier der Wettbewerb sowie der Druck, die niedrigeren Kosten weiterzureichen, besonders hoch war.
Quelle: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) / Foto: Fotolia