EMI: Industrie im September weiter geschrumpft

von Angelika Albrecht

Die Lage in der deutschen Industrie hat sich im September weiter verschlechtert. Das signalisiert der saisonbereinigte S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), der aktuell noch weiter in den roten Bereich abrutschte und mit 47,8 Punkten – nach 49,1 im Vormonat – auf dem tiefsten Stand seit Juni 2020 notierte. Die Talfahrt bei den Auftragseingängen hat sich fortgesetzt, während die massiv steigenden Energiepreise die Kosteninflation weiter anheizten, teilt S&P Global mit.

Aufgrund der besseren Verfügbarkeit einiger Rohmaterialien schrumpfte die Produktion so geringfügig wie seit drei Monaten nicht mehr. Dies konnte jedoch nicht den Absturz der Geschäftsaussichten auf den niedrigsten Wert seit Mai 2020 verhindern, da die vielerorts hohen Bestände an Fertigwaren sowie die Unsicherheiten rund um die Energieversorgung für wenig Zuversicht im Hinblick auf zukünftiges Wachstum sorgten.

„Die September-Daten zeigen einen sich verfestigenden Abwärtstrend im Verarbeitenden Gewerbe der größten Volkswirtschaft Europas. Immer mehr Industriebetriebe leiden unter der sinkenden Nachfrage sowie den steigenden Energiepreisen, die den Kostendruck erhöhen“, betont Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), Eschborn.

„Alle Zeichen stehen auf Rezession. Während Deutschland im zweiten Quartal noch mit einem Mini-Wachstum aufwarten konnte, ist mittlerweile offensichtlich, dass die Energiekrise Deutschland in eine Rezession führen wird“, kommentiert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Hohe Inflationsraten verunsicherten Konsumenten und Produzenten; manche von ihnen würden dies nicht stemmen können. „Zum Glück konnte die Gasumlage noch abgewendet werden. Aber auch mit der Gaspreisbremse bleiben die Aussichten schwach. Hohe Kosten, geringe Nachfrage, steigende Zinsen: Das sind die Zutaten einer Rezession. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur Unterstützungspakete geschnürt werden, sondern auch das Energieangebot ausgeweitet wird. Dabei darf es keine ideologischen Scheuklappen geben. Atomstrom und Fracking aus Deutschland sollten dazu gehören“, fügt die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Rezession mit Ansage: Wie in der Corona-Phase stehen Grund und zeitlicher Verlauf der Rezession schon vorher fest; das ermöglicht den Unternehmen und der Politik wenigstens, sich so gut wie möglich vorzubereiten“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.

„Die hohen Energiekosten und die große Unsicherheit vieler Betriebe bezüglich der zukünftigen Energieversorgung dämpfen nicht nur die Produktion, sondern belasten auch die Nachfrage nach Industriegütern. Angesichts der abkühlenden Weltkonjunktur sind aktuell auch keine positiven Impulse aus dem Ausland zu erwarten“, teilt DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen dem BME mit. Erschwerend komme hinzu, dass die Lieferkettenproblematik noch nicht ausgestanden sei. Zenzen: „Wir steuern damit geradewegs auf eine Rezession zu.”

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gibt Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Im Verlauf des September 2022 gab es bei den meisten Rohstoffpreisen nochmals leichte Korrekturen nach unten. Bei vielen scheint aber mittlerweile der Boden erreicht. So verbilligten sich zum Beispiel infolge sinkender Zinkpreise verzinkte Bleche deutlich, während Walzdraht in Folge eines knappen Angebots praktisch seitwärts ging. Rohöl scheint seine aktuelle Basis gefunden zu haben. Vor allem aber überraschte, dass der Gaspreis auf den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines nur ganz kurz reagierte. Allerdings wurde auch schon in den Wochen zuvor kein Erdgas mehr durchgeleitet. Wie sich letztendlich die Gaspreisbremse hierauf auswirkt, kann erst nach der endgültigen Ausgestaltung auch für Industrieunternehmen beurteilt werden. Die Angebotsreduktion in den USA durch die Auswirkungen des Hurrikan Ian dürften nicht nennenswert auf den europäischen Preis durchschlagen.“

Weitere Details zur aktuellen Erhebung finden Sie auf der BME-Webseite


Über den EMI:

Der S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).

Quelle: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)  / Foto: Fotolia

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