Ein Update zum türkischen Stahlmarkt

von Hans Diederichs

Ali Pandir, CEO des türkischen Stahlherstellers Erdemir, gab auf der 20. Handelsblatt Jahrestagung „Stahlmarkt 2016“ am 16. Februar in Düsseldorf einen Überblick über den Stahlsektor der Türkei, die in den jüngeren Vergangenheit zu einem der großen Stahlplayer weltweit aufgestiegen ist.

So war das Land im Jahr 2015 einer der am schnellsten wachsenden Stahlmärkte überhaupt. Die Stahlverwendung stieg nach den jüngsten Schätzungen im Gesamtjahr 2015 um gut 10 Prozent, was vor allem großen Infrastrukturprojekten wie der Transanatolischen Pipeline (TANAP) geschuldet war. Fürs laufende Jahr rechnet Erdemir mit einem eher verhaltenen Wachstum in der Größenordnung von 1,2 Prozent (bei einer insgesamt flach verlaufenden Weltstahlnachfrage).

Höhere Kapazitäten — schwächere Auslastung

Die Stahlerzeugung in der Türkei zeigte in den vergangenen drei Jahren jedoch in die Gegenrichtung und schrumpfte zusehends; im Jahr 2015 betrug der Rückgang rund 8 Prozent. Pandir wies auf den gestiegenen Exportdruck der großen, Stahl erzeugenden Nationen hin. Nicht nur das viel gescholtene China sei an dieser Entwicklung schuld, sondern auch Russland, Japan und Südkorea. In all diesen Ländern bestünden erheblich Überkapazitäten. Die Kapazität der türkischen Stahlerzeuger wuchs in den vergangenen zehn Jahren um das Zweieinhalbfache, doch bedingt durch den geringeren Output sank die Auslastung im gleichen Zeitraum von 83 auf nur noch 54 Prozent.

Beim Flachstahl ist die Türkei momentan Netto-Importeur, beim Langstahl Netto-Exporteur. Der größte Teil der Langstahlexporte geht nach Russland und andere GUS-Staaten, in die EU sowie nach China. Die Flachstahlimporte kommen aus den gleichen Staatengruppen, daneben aber auch noch aus Japan und Südkorea.

Die türkischen Hersteller sind auch recht stark auf einzelne Segmente der Wertschöpfungskette spezialisiert; nur zwei der 31 Stahlhersteller sind integrierte Konzerne. Damit haben die türkischen Stahlerzeuger den momentanen Problemfaktoren des Weltmarkts oft nur wenig entgegen zu setzen: Durch die gesunkenen Ölpreise fallen viele Projekte im Energiesektor flach. Die Türkei bekommt den steigenden Importdruck nicht nur aus Ostasien, sondern auch aus Russland und der EU zu spüren. Die Abwertungstendenzen von Rubel und Euro verstärken diese Effekte. Parallel entstehen in Nordafrika neue Kapazitäten. Diese Gemengelage macht die Türkei zu einem der am stärksten umkämpften Stahlmärkte weltweit.

Erdemir setzt auf Logistik und hochwertige Produkte

Erdemir selbst ist einer der profitabelsten Stahlhersteller in der Welt mit einer Ebidta-Marge von rund 20 Prozent. Der Stahlausstoß des Unternehmens betrug 2014 etwa 8,5 Megatonnen, geringfügig mehr als SSAB und etwa die Hälfte von thyssenkrupp. Erdemir versucht, seine Marktstellung vor allem durch hohe Investitionen und die Entwicklung von Mehrwert-Produkten zu verbessern, vor allem in der Automobilindustrie. Chancen für Zusammenschlüsse und Zukäufe sieht das Unternehmen derzeit sowohl in der Türkei als auch in Europa. Auch in Zukunft will Erdemir noch stärker darauf achten, die exzellente geographische Lage der Türkei am Schnittpunkt verschiedener Warenströme zu nutzen, um seinen strategischen Vorteil im Bereich der Logistik auszubauen.

Quelle: Vortrag von Ali Pandir am 16. Februar 2016, marketSTEEL; Vorschau-Bild: Hagia Sophia in Istanbul (Foto: Michael Löffler  / pixelio.de)

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