Doppelter Nutzen bei Verwertung von Stahlschlacken

von Hubert Hunscheidt

Große Mengen an Schlacke aus der Stahlproduktion bleiben heute für die Kreislaufwirtschaft ungenutzt. Dabei ließe sich aus dem Reststoff nicht nur Roheisen gewinnen, sondern auch ein CO2-sparendes Bindemittel für die Zementindustrie. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung optimiert jetzt das Verfahren, um es schnell in die Anwendung zu bringen.

In der Stahlproduktion werden in Deutschland jedes Jahr über 5 Millionen Tonnen an Schlacke erzeugt – eine wertvolle Ressource, die zu rund 30 Prozent aus Eisenoxid besteht. Die Schlacke aus den Stahlwerken geht zum größten Teil beim Straßenbau in Asphalt und Beton ein, in Wasserbausteine für Kanäle oder Schotter für Gleisbette. Das bedeutet auch: Das gebundene Eisen wird nicht entsprechend seiner stofflichen Potenziale genutzt und ist für das Recycling verloren.

An der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) startet jetzt ein Projekt, das auf ein Zero-Waste-Konzept zielt, also auf die möglichst vollständige Verwertung der Schlacke. „Wir wollen das Eisenoxid aus der Schlacke zu Roheisen reduzieren und so wieder der Stahlproduktion zuführen“, erklärt Christian Adam, Leiter des Projekts und Experte für Kreislaufwirtschaft an der BAM. „So ließen sich allein in Deutschland jedes Jahr 600.000 Tonnen an Roheisen zurückgewinnen und damit 900.000 Tonnen Eisenerz ersetzen, die sonst importiert werden müssten.“

Die BAM konnte bereits demonstrieren, dass das Verfahren technisch funktioniert. Mehr noch: Es besitzt sogar einen zweiten großen Nutzen: Bei dem Prozess der Eisenreduktion wird als Nebenprodukt ein hochwertiges mineralisches Bindemittel erzeugt. Es könnte in der Zementindustrie anstatt des üblichen Portlandzementklinkers eingesetzt werden. Portlandzementklinker wird aus Primärrohstoffen hergestellt, die aufwändig im Bergbau gewonnen und unter hohem Energieaufwand und entsprechenden CO2-Emissionen verarbeitet werden müssen. Die Zementindustrie zählt weltweit mit acht Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes zu den größten Emittenten des Klimagases. Das neue Bindemittel könnte also helfen, viele Tonnen an schädlichem Treibhausgas einzusparen und gleichzeitig den Rohstoffbedarf der Zementproduktion zu mindern.

Die technische Herausforderung: Der Prozess erfordert Temperaturen von über 1.800 Grad Celsius. Bislang wird Schlacke in Stahlwerken aber bei nur 1.600 Grad abgestochen. Es würde also sehr viel Energie erfordern, auf die höhere Betriebstemperatur zu gelangen. Daher ist der Prozess mit dem doppelten Nutzen heute im industriellen Maßstab weder technisch durchführbar noch wirtschaftlich.

„Hier setzen wir mit unserem neuen Projekt an“ erklärt Christian Adam. „Wir wollen das Verfahren so anpassen, dass es sich großtechnisch realisieren lässt – und dabei auch rechnet. Dazu werden wir die Zusammensetzung der Schlacke so modifizieren, dass die Eisenrückgewinnung auch bei geringeren Temperaturen durchgeführt werden kann und damit den Aufwand des Verfahrens deutlich verringern. Gleichzeitig sollen die positiven Eigenschaften der reduzierten Schlacke erhalten bleiben, die später dem Zement Festigkeit geben.“

Praxisnähe und Marktfähigkeit sind dabei entscheidende Kriterien: In das Projekt sind mit der ArcelorMittal Eisenhüttenstadt ein Stahlhersteller sowie über Kooperationen mit der Cemex Deutschland AG und der Spenner GmbH & Co. KG. zwei Zementhersteller eingebunden.

Auf Basis der Projektergebnisse wird ArcelorMittal Eisenhüttenstadt einen großtechnischen Demonstrator planen, mit dem der Prozess in einem Hüttenwerk erprobt und integriert werden kann. Die Zementhersteller werden die Leistungsfähigkeit des gewonnenen Bindemittels bewerten; das Öko-Institut e.V. abschließend in einer Bilanz ermitteln, welche ökologischen Vorteile sich aus der Anwendung des Verfahrens insgesamt sowohl für die Stahl- als auch die Zementindustrie ergeben.

Die BAM besitzt einen Schwerpunkt im Bereich Kreislaufwirtschaft (mehr dazu hier) und über 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Nachbehandlung von Schlacken.

Das Projekt wird im Rahmen der Fördermaßnahme „Ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

Quelle: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) / Foto: Fotolia

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