Die Voestalpine AG trotzt im 1. Halbjahr der COVID-19-Wirtschaftskrise
von Hubert Hunscheidt
Die wirtschaftliche Entwicklung des voestalpine-Konzerns stand im 1. Halbjahr 2020/21 ganz im Zeichen der COVID-19-Pandemie. Während das 1. Quartal von einem massiven Nachfrageeinbruch in beinahe allen Kundensegmenten und Regionen geprägt war, kam es im 2. Quartal zu einer spürbaren Erholung in wesentlichen Branchen. Insbesondere die europäische und amerikanische Automobil-, aber auch die Konsumgüter- und Bauindustrie gewannen nach den Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr rasch wieder an Dynamik. So konnte der Konzern im September aufgrund steigender Nachfrage nach hochqualitativen Stahlprodukten den vorübergehend stillgelegten kleinen Hochofen in Linz wieder hochfahren.
Regional betrachtet erreichten die Werke in China am schnellsten, also bereits im 1. Quartal des Geschäftsjahres, eine Produktionsauslastung auf Vorkrisenniveau. Unverändert schwierig blieb die Situation in den Segmenten Luftfahrt sowie Öl und Gas, die besonders hart von den Folgen der Pandemie betroffen sind. Die Technologiesegmente Bahninfrastruktur und Lagersysteme entwickelten sich in diesem sehr herausfordernden Umfeld weiterhin stabil.
Entwicklung von Umsatz und Ergebnisziffern
Obwohl sich die Wirtschaft nach dem Konjunktureinbruch zu Beginn der Berichtsperiode schrittweise erholte, lagen Umsatz und Ergebnis des voestalpine-Konzerns im 1. Halbjahr 2020/21 deutlich unter den Vergleichswerten des Vorjahres. Der Umsatzrückgang um 21,9% von 6,5 auf 5,1 Mrd. EUR resultierte sowohl aus geringeren Auslieferungsmengen als auch gesunkenen Preisen. Auf Ergebnisseite konnte trotz äußerst schwieriger Marktbedingungen in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres ein deutlich positives operatives Ergebnis (EBITDA) in Höhe von 395 Mio. EUR erwirtschaftet werden. Im Jahresvergleich war die Entwicklung des EBITDA vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise mit -40,6% rückläufig (Vorjahreswert: 666 Mio. EUR). Die EBITDA-Marge reduzierte sich dementsprechend von 10,2% im Vorjahr auf aktuell 7,7%. Der Rückgang beim EBIT fiel deutlich stärker aus und ist neben der rein operativen Entwicklung vor allem auf Sonderabschreibungen bei voestalpine Texas und voestalpine Tubulars (rund 200 Mio. EUR) aufgrund globaler Marktveränderungen verschärft durch die COVID-19-Pandemie zurückzuführen. In Summe fiel das EBIT von 230 Mio. EUR im 1. Halbjahr 2019/20 auf aktuell -215 Mio. EUR. Das Ergebnis vor Steuern reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr von 163 auf -268 Mio. EUR und das Ergebnis nach Steuern von 115 auf -276 Mio. EUR. Auf Basis intensiver Kosten- und Ergebnisoptimierungsmaßnahmen sowie reduzierter Investitionen von 245 Mio. EUR erzielte das Unternehmen im 1. Halbjahr 2020/21 einen deutlich gestiegenen operativen Cashflow von 563 Mio. EUR und einen Free Cashflow von 281 Mio. EUR.
Die Verschuldungskennzahl Gearing Ratio (Nettofinanzverschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital) verbesserte sich von 75,1% im Vorjahr auf 66,2% per 30. September 2020. Das Eigenkapital, das neben der operativen Entwicklung ebenfalls durch die Sonderabschreibungen belastet wurde, ist im Jahresvergleich von 6,0 auf aktuell 5,3 Mrd. EUR gefallen. Die Nettofinanzverschuldung konnte aufgrund der guten Cashflow-Entwicklung hingegen von 4,5 auf 3,5 Mrd. EUR verringert werden.
Die Anzahl der Mitarbeiter (FTE) ging im Jahresvergleich um 6,5% auf 47.917 zurück. Im Oktober 2020 waren in Österreich rund 2.500 und in Deutschland rund 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit bzw. international weitere 1.800 in kurzarbeitsähnlichen Modellen (insbesondere Brasilien, Schweden, Südafrika, Frankreich, Großbritannien).
Ausblick
Nach dem Ende der Berichtsperiode kam es in vielen Regionen der Welt wieder zu einem markanten Anstieg der COVID-19-Infektionszahlen. In Europa reagierten viele EU-Mitgliedsstaaten erneut mit „Lockdown“-Maßnahmen unterschiedlicher Ausprägung. Die Auswirkungen auf die weitere Wirtschaftsentwicklung sind zum Zeitpunkt der Berichtslegung noch nicht im Detail abschätzbar. Fest steht jedoch, dass die Unsicherheit bei Prognosen über zukünftige Entwicklungen deutlich gestiegen ist. Vor diesem Hintergrund fokussiert der Konzern weiterhin auf Kostenmanagement und Ergebnisstabilisierung. Gleichzeitig bleiben die Anstrengungen im Bereich Working Capital Management hoch und Ausgaben für Investitionen niedrig, um sowohl den Cashflow als auch die Bilanzstruktur weiter zu stärken.
Trotz der jüngsten Verschärfungen der COVID-19-Lage kann erwartet werden, dass die schrittweise wirtschaftliche Verbesserung zum Ende des 1. Halbjahres im weiteren Verlauf des Geschäftsjahres 2020/21 anhält. Mit Ausnahme des Öl- und Gasbereichs sowie der Luftfahrtindustrie sollte sich der positive Nachfragetrend nach Produkten des Unternehmens in allen wesentlichen Marktsegmenten auch im zweiten Halbjahr 2020/21 fortsetzen. „Deshalb erwartet der Vorstand aktuell unter der Annahme keiner neuerlichen wesentlichen wirtschaftlichen Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie wie beispielsweise behördlich verordnete Maßnahmen in diesem Zusammenhang für das gesamte Geschäftsjahr 2020/21 ein EBITDA in einer Bandbreite von 800 Mio. bis 1 Mrd. EUR“, so Herbert Eibensteiner.
Quelle: voestalpine AG / Vorschaufoto: marketSTEEL