Deutschlands Industrie durch Kreislaufwirtschaft resilienter und wettbewerbsfähiger
von Hubert Hunscheidt
Eine konsequente Kreislaufwirtschaft für Stahl, Zement und Kunststoffe reduziert die Transformationskosten zur Klimaneutralität im Vergleich zu linearen Wirtschaftsmodellen um 45 Prozent und den Energieverbrauch um 20 Prozent. Gleichzeitig kann durch eine verbesserte Kreislaufführung in Verbindung mit einer klimaneutralen Produktion die energieintensive Industrie in Deutschland bis 2045 rund 25 Prozent ihrer kumulativen Treibhausgasemissionen einsparen. Dies geht aus einer neuen Studie von Agora Industrie hervor, die das Potenzial einer ambitionierten Kreislaufwirtschaft für energieintensive Grundstoffe untersucht hat. Kostenersparnisse bei der Produktion von Recyclinggrundstoffen ergeben sich insbesondere durch einen geringeren Rohstoff- und Energieverbrauch verglichen mit der Primärproduktion. Eine ressourceneffiziente Industriestrategie reduziert zudem den Bedarf an Infrastruktur für Wasserstoff sowie für die Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS).
„Die Vorteile einer verstärkten Kreislaufführung sind immens und sollten genutzt werden“, sagt Frank Peter, Direktor von Agora Industrie. „Sie helfen nicht nur die Klimaziele zu erreichen, sondern machen die Produktion in Deutschland auch resilienter gegenüber Lieferkettenproblemen und hohen Energiepreisen. Zudem stärken sie den Wirtschaftsstandort.“ Durch die stärkere Nutzung von wiederverwerteten Rohstoffen und die Fokussierung auf lokale Ressourcen können Unternehmen widerstandsfähiger werden gegenüber externen Schocks, die sie etwa in den letzten Jahren pandemie- und kriegsbedingt getroffen haben. So könnte in der Automobilindustrie allein durch eine Designoptimierung der Materialverschnitt halbiert werden. Beim Einsatz von Stahl in Gebäuden ließe sich die Materialeffizienz um 16 Prozent erhöhen.
Durch die effiziente Wiederverwendung von Produkten und die Förderung von Recyclingverfahren werden auch neue Innovationsfelder geschaffen. "Deutschland und Europa sind ideal positioniert, um die Vorteile der Kreislaufwirtschaft zu nutzen,“ erklärt Frank Peter. „Expertise, die über Jahrzehnte im Bereich Recycling aufgebaut wurde und eine starke gesellschaftliche Unterstützung für nachhaltige Wirtschaftsmodelle sind gute Voraussetzungen, um innovative Geschäftsmodelle und Technologien zu ermöglichen. Daraus ergeben sich nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile.“ So können Geschäftsmodelle aus der Maximierung der Lebensdauer von Produkten sowie im Bereich 3D-Druck, digitaler Produktpässe, optimierter Produktdesigns und intelligenter Sortier- und Recyclingtechnologien entstehen.
Die Ergebnisse der Agora Studie unterstreichen, dass die Transformation zu einer ressourcenschonenden Produktion von der Politik gezielt gefördert und Anreize geschaffen werden müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit zirkulärer Geschäftsmodelle zu stärken. Mit klaren Zielen für Ressourceneffizienz und Einsatz von wiederverwerteten Stoffen, sowie eines geeigneten Monitoring-Systems für zentrale Materialströme, kann die Industrie frühzeitig entsprechende Weichen hin zu einer erfolgreichen Transformation stellen.
„Mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollte die Bundesregierung jetzt den Rahmen für die Entwicklung eines Leitmarkts für zirkuläre Technologien und Produkte schaffen,“ sagt Frank Peter. „Durch die Förderung von Schlüsseltechnologien und Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette sowie Standards für kreislauffähige Produktdesigns können Investitionen angereizt werden.“ Das Erfassen von eingebetteten Emissionen in Produkten, eine nachhaltige öffentliche Beschaffung und der Abbau regulatorischer Hemmnisse seien zudem zentral, um eine Nachfrage für zirkuläre Technologien und Produkte zu schaffen.
Die Studie „Resilienter Klimaschutz durch eine zirkuläre Wirtschaft“ wurde vom Beratungsunternehmen SYSTEMIQ im Auftrag von Agora Industrie erstellt. Sie modelliert die mit der Nutzung energieintensiver Grundstoffe verbundenen Emissionen in den Industriezweigen Automobil, Gebäudebau und Kunststoffe bis 2045. Die berechneten Einsparungen ergeben sich aus dem Vergleich zwischen einem Business-As-Usual-Szenario und einer ambitioniert implementierten Kreislaufwirtschaft.
Quelle: Agora Energiewende / Foto: marketSTEEL