Deutschland bleibt einer der wichtigsten Schifffahrtsstandorte der Welt
von Hubert Hunscheidt
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) veröffentlichte gestern neue Daten zur Situation der deutschen Handelsschifffahrt. Präsidentin Gaby Bornheim und Hauptgeschäftsführer Martin Kröger konnten trotz eines schwierigen geopolitischen Umfelds für die Schifffahrt über erfreuliche Entwicklungen berichten: Insgesamt hat Deutschland weiterhin die siebtgrößte Handelsflotte der Welt, bei der Containerschifffahrt ist man weltweit sogar führend. Zuletzt haben sich zudem deutlich mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Schifffahrt entschieden.
Geopolitische Konflikte beeinträchtigen den Seehandel
Die Schifffahrt sieht sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die durch Kriege und Konflikte verursacht werden. Das Rote Meer ist derzeit durch den Beschuss von Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe nicht sicher. Hintergrund ist der Konflikt in Nahost. Weite Teile des Schwarzen Meers bleiben durch den Angriff Russlands gegen die Ukraine zudem Kriegs- und Risikogebiet – und damit für die Schifffahrt eine Gefahrenzone. Darüber hinaus nehmen die Spannungen zwischen China und Taiwan und im südchinesischen Meer weiter zu.
„Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen sind beunruhigend. Auch wenn die Schifffahrtsbranche grundsätzlich krisenerprobt ist und flexibel auf neue geopolitische Rahmenbedingungen reagieren kann, sind Stabilität und Sicherheit auf Dauer unverzichtbar. Wenn maritime Lieferketten ständig gestört sind, ist irgendwann unsere Versorgung über See gefährdet“, erklärt VDR-Präsidentin Gaby Bornheim. Deutschland wickelt rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab. Über ihn kommen Energie, Lebensmittel, Kleidung, Technik, Möbel und Medikamente ins Land.
Deutschland bleibt einer der wichtigsten Schifffahrtsstandorte der Welt
„Für Deutschland ist und bleibt es wichtig, eine eigene starke Handelsflotte im Land zu halten. Die vorliegenden Zahlen stimmen uns positiv. Sie unterstreichen, dass die deutsche Handelsflotte stabil bleibt“, sagt VDR-Hauptgeschäftsführer Martin Kröger.
Ende 2023 bestand die deutsche Handelsflotte aus insgesamt 1.800 Schiffen (Vorjahr 1.839 Schiffe) mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von 47 Millionen (Vorjahr 44,8 Mio. BRZ). Damit ist Deutschland weiterhin die siebtgrößte Schifffahrtsnation der Welt. Griechenland, China und Japan belegen in dieser Reihenfolge die ersten drei Plätze. Bei der Containerschifffahrt ist Deutschland weiterhin führend (29 Mio. BRZ), vor China (28,1 Mio. BRZ).
„Die Zahlen zeigen: Deutschland ist nach wie vor eine der wichtigsten Schifffahrtsnationen der Welt und ein starker und wettbewerbsfähiger Schifffahrtsstandort. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, müssen die Rahmenbedingungen für Reedereien in Deutschland attraktiv und stabil gehalten werden“, betont Kröger.
Die Mehrzahl der deutschen Reedereien ist mittelständisch geprägt. 80 Prozent der Unternehmen haben weniger als zehn Schiffe. 881 Schiffe der deutschen Handelsflotte führen die Flagge eines EU-Landes am Heck, darunter 259 die deutsche Flagge, 386 Schiffe die Flagge Portugals, 135 Schiffe die Flagge Zyperns, 41 Schiffe fahren unter der Flagge Maltas und 60 unter der Flagge eines anderen Landes der EU. Damit fährt jedes zweite deutsche Schiff unter der Flagge eines EU-Landes.
Schifffahrt auf dem Weg zur Klimaneutralität
Weiterhin gilt es, eine der größten Herausforderungen für die Seeschifffahrt zu meistern: die Transformation zum klimaneutralen Verkehrsträger Schiff bis zum Jahr 2050. Dafür unternimmt die Branche enorme Anstrengungen und Investitionen.
Die EU hat beschlossen, die Schifffahrt ab 2024 mit in das EU-Emissionshandelssystem einzubeziehen. Reedereien müssen damit für den Ausstoß von CO₂ innerhalb der EU bezahlen und Rechte für die Emissionen kaufen.
„Wir unterstützen grundsätzlich eine Emissions-Bepreisung, denn sie kann eine wirksame Ergänzung zu mehr Klimaschutz sein“, sagt Martin Kröger. Die Bundesregierung müsse jedoch schnell Klarheit schaffen, wie genau in Deutschland nun die Einbeziehung der Schifffahrt in das Emissionshandelssystem erfolgen soll. Bislang liegt dazu noch kein Gesetzesentwurf vor. „Für uns ist Planungssicherheit das A und O, aber auch international einheitliche Wettbewerbsbedingungen. Wir unterstützen grundsätzlich eine Maßnahme zur Emissions-Bepreisung, die aber international einheitlich geregelt sein sollte. Wir können uns in der weltweit fahrenden Schifffahrt und für einen wirkungsvollen Klimaschutz keinen Flickenteppich regionaler Sonderwege leisten. Und wir wollen auch nicht doppelt für die gleichen Emissionen zahlen“, so der VDR-Hauptgeschäftsführer.
Über den Verband Deutscher Reeder
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) vertritt die gemeinsamen wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen der deutschen Reedereien auf der Ebene des Bundes und der Länder sowie gegenüber europäischen und internationalen Instanzen. Der VDR wurde 1907 gegründet und hat sich 1994 mit dem Verband der Deutschen Küstenschiffseigner zusammengeschlossen. Mit seinen mehr als 150 Mitgliedsunternehmen aus unterschiedlichen Bereichen der Seeschifffahrt vertritt der VDR den größten Teil der deutschen Handelsflotte.
Quelle: Verband Deutscher Reeder / Foto: Fotolia