Deutsche Wirtschaft wächst weiter moderat

von Alfons Woelfing

Die deutsche Wirtschaft drückt ein wenig auf das Bremspedal, wird aber auch in diesem und in den kommenden beiden Jahren deutlich wachsen. Die KonjunkturforscherInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) prognostizieren in ihren Herbstgrundlinien für dieses Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent. Für die Jahre 2019 und 2020 rechnen sie mit einer Wachstumsrate von 1,7 beziehungsweise 1,8 Prozent. Damit bestätigt sich weitgehend die Einschätzung aus dem Frühsommer, wonach die deutsche Wirtschaft etwas an Fahrt verliert, der Wachstumskurs aber grundsätzlich beibehalten wird.
 
Vor allem die Binnennachfrage stützt das Wachstum. Dazu tragen in erster Linie zwei Faktoren bei: Zum einen der Bauboom, der vielerorts bereits dafür sorgt, dass sich Aufträge stauen, weil entsprechende Fachkräfte kaum noch zu finden sind. Andererseits der Konsum der privaten Haushalte, der durch die weiterhin positive Arbeitsmarktentwicklung – die Arbeitslosenquote dürfte bereits im kommenden Jahr unter die Fünf-Prozent-Marke fallen – und mittlerweile kräftigere Lohnsteigerungen als in den vergangenen Jahren angetrieben wird. Dass die Inflationsrate mit etwa zwei Prozent höher ausfällt als zuletzt, schmälert die Kaufkraft der Haushalte nicht dramatisch.
 
Die Preissteigerungen erreichen damit eine Größenordnung, die dem Ziel der Europäischen Zentralbank entspricht. Eine darüber hinausgehende Preisdynamik ist kaum zu erwarten, da der Anstieg vor allem auf die gestiegenen Preise für Rohöl zurückzuführen ist.  Sorgen um eine vermeintlich überhitzende deutsche Wirtschaft dürften sich auch deshalb zerstreuen, weil die Auslastung der Produktionskapazitäten allmählich zurückgeht.
 
Zurückhaltende Nachfrage nach Investitionsgütern lastet auf deutscher Exportwirtschaft
 
Hintergrund dafür ist, dass nach wie vor erhebliche Risiken auf der Weltwirtschaft lasten, die in diesem Jahr um voraussichtlich 4,2 Prozent, im kommenden um 3,9 und im übernächsten um 3,7 Prozent wachsen wird. Die Sorgen um eine weitere Eskalation des Handelskonflikts zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten konnten bei einem Treffen zwischen US-Präsident Trump und EU-Kommissionspräsident Juncker zwar vorerst ausgeräumt werden. Die Konfrontation der USA mit großen Volkswirtschaften wie China oder Kanada dürfte aber viele Unternehmen weiterhin zurückhaltend agieren lassen und deren Investitionsbereitschaft drücken.
 
Zudem erscheint das Szenario eines „harten“ Brexits immer wahrscheinlicher. Ein ungeordneter Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ohne jedes Folgeabkommen würde den internationalen Handel vermutlich erheblich einschränken. Unter dem Strich sind das weltweit für viele Unternehmen Gründe genug, die Zukunft nicht nur rosarot zu sehen. Die auf Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen spezialisierte deutsche Exportwirtschaft bekommt dies am ehesten zu spüren. Die Auftragsbücher der hiesigen Industrie sind zwar noch gut gefüllt, die Neubestellungen gingen in den vergangenen Monaten jedoch bereits merklich zurück. Der Leistungsbilanzsaldo wird bis Ende 2020 dennoch nur leicht sinken und weiterhin deutlich mehr als sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
 
Hohe Überschüsse in den öffentlichen Haushalten
 
Die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen werden derweil auch in den kommenden Jahren mit hohen Überschüssen abschließen. Insbesondere die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer sprudeln aufgrund der steigenden Löhne. Die Zinsen auf die Schulden der öffentlichen Hand bleiben zudem auf absehbare Zeit niedrig. Obwohl die Ausgaben in den Jahren 2019 und 2020 weiter steigen, unter anderem aufgrund einer Ausweitung der Mütterrente und einem höheren Kindergeld, und der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung gesenkt wird, fallen jeweils Überschüsse in zweistelliger Milliardenhöhe an. In diesem Jahr erreicht der gesamtstaatliche Überschuss mit 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 61 Milliarden Euro sogar einen Rekordwert.
 
Nach Ansicht des DIW Berlin sollten die finanziellen Spielräume genutzt werden, um das Wachstumspotential der deutschen Wirtschaft zu stärken. Dies sollte über höhere Investitionen in Bildung und Forschung, die Infrastruktur und die Digitalisierung geschehen. Abzuraten ist hingegen von einer Stabilisierung des Rentensystems über höhere Steuerzuschüsse. An dieser Stelle bedarf es angesichts der demografischen Herausforderungen grundlegenderer Reformen.
 

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