Deutsche Wirtschaft schrumpft: Vier Gründe, warum Deutschland in der Krise bleibt
von Hubert Hunscheidt
In seiner Sommerpressekonferenz vor einer Woche hatte sich der Bundeskanzler noch optimistisch gezeigt: Bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr werde die Bundesregierung die Stimmung gedreht haben. Nach den heute veröffentlichten Konjunkturzahlen dürfte diese Zuversicht schwinden. Denn auf Frühjahrsmüdigkeit folgt die Sommerflaute: Die deutsche Wirtschaft ist zwischen April und Juni mit - 0,1 Prozent geschrumpft. In anderen Ländern wie Frankreich oder Spanien ist die Wirtschaft hingegen teils kräftig gewachsen. Deutschland bleibt das Problemkind der Eurozone.
Ein Quartalswachstum von über einem halben Prozent gab es das letzte Mal vor fast zwei Jahren. Längst spricht vieles dafür, dass sich Deutschland nicht nur in einem ungünstigen Konjunkturzyklus befindet. Viele Ursachen sind strukturell, die Probleme dürften bleiben. Die deutsche Wirtschaft steckt in der Stagnation fest.
Industrieaufträge brechen ein
So bleibt die Binnennachfrage auch mehr als vier Jahre nach Pandemiebeginn noch nicht wieder erholt. Die Investitionen der Unternehmen liegen immer noch unter dem Niveau von 2019. Bei anhaltender Unsicherheit sowie hohen Kosten für Energie, Arbeit und Kapital zögern die Firmen ihre Investitionsentscheidung hinaus.
Auch beim privaten Konsum hat die EM kein Sommermärchen entfacht. In unsicheren Zeiten halten die Haushalte ihr Geld beisammen, die Ausgaben bleiben mehr als zwei Prozent unter dem Vorkrisenniveau.
In der Industrie schmelzen die Auftragsbestände. Die Nachfrage aus dem Inland war im Mai so niedrig wie seit 2010 nicht mehr. Auch die Auslandsaufträge geben wenig Hoffnung, dort ist die Nachfrage zuletzt besonders stark eingebrochen. Denn auch der Welthandel verharrt auf schwachem Niveau, die deutschen Exporte stagnieren seit Ende 2022. Dahinter stecken besonders die wachsende Deglobalisierung und die aktuellen geopolitischen Konflikte. Es spricht nur wenig dafür, dass sich daran bald etwas ändert.
Ampel-Politik verunsichert Unternehmen
Aussicht auf rasche Besserung gibt es kaum: Der Standort ist schlicht zu teuer, die Infrastruktur zu marode, die Bürokratie zu lähmend. Und viel zu lange ist nichts passiert: Der Investitionsbedarf für die nächsten zehn Jahre liegt nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung bei 600 Milliarden Euro.
Was von der Ampel kommt, etwa Wachstumschancengesetz oder Wachstumsinitiative, ist zu kleinteilig und ideologisch motiviert – etwa der Steuerrabatt für Fachkräfte aus dem Ausland. Noch schlimmer: Die Streitigkeiten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Ampel verunsichern zusätzlich und führen dazu, dass Unternehmen ins Ausland abwandern. Eine Trendwende rückt damit in weite Ferne. Das nächste Herbsttief könnte schon vor der Tür stehen.
Thomas Obst, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. / Foto: Fotolia