Deutsche Wirtschaft: Dynamik schwächt sich ab

von Alexander Kirschbaum

Wirtschaftliche Lage im Juli 2016

Die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat sich abgeschwächt, wie ein aktueller Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zeigt. Nach dem sehr starken Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal (+0,7 %) war dies allerdings zu erwarten. So war die Frühjahrsbelebung im Baugewerbe nach dem produktionsintensiven milden Winter weniger ausgeprägt als üblich. Die Industrieproduktion war Mitte des zweiten Quartals saisonbereinigt geringer als im Durchschnitt des ersten Quartals, wobei allerdings auch Brückentageeffekte zu Buche schlugen. Die Beschäftigung nahm insbesondere in den Dienstleistungsbereichen weiter zu, in einigen Bereichen allerdings langsamer als zuvor. Auf der Nachfrageseite entwickelten sich die Ausfuhren weiter überraschend dynamisch. Die privaten Konsumausgaben scheinen eine ruhigere Gangart eingeschlagen zu haben. Das Geschäftsklima in der gewerblichen Wirtschaft hat sich aber seit dem Frühjahr insbesondere hinsichtlich der Geschäftserwartungen merklich aufgehellt.

Die Daten des Bundeswirtschaftsministeriums geben den Stand vor dem Brexit-Votum der Briten wieder. In Abhängigkeit vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung im Vereinigten Königreich können Unwägbarkeiten nach dem Votum negative Rückwirkungen auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland haben.

Gesunkene Wachstumserwartungen für Euroraum

Die Weltwirtschaft zeigt nur ein moderates Wachstum. Nach Schätzung der OECD dürfte es mit 3,0 % in diesem Jahr nicht höher ausfallen als im vergangenen Jahr. In den Vereinigten Staaten hat sich das Expansionstempo im ersten Quartal 2016 verlangsamt. Für das zweite Quartal deuten die aktuellen Daten jedoch eine Erholung an. Der Euroraum wies im ersten Quartal mit einem Anstieg um 0,6 % ein recht hohes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf. Die Frühindikatoren sprechen laut BMWi hier für eine moderatere Fortsetzung des Wachstums.

Mit dem Brexit-Referendum sind zudem die konjunkturellen Abwärtsrisiken für den Euroraum gestiegen. Zahlreiche Analysten haben ihre Wachstumserwartungen für das kommende Jahr insbesondere für das Vereinigte Königreich, aber auch für die Eurozone zurückgenommen. Die japanische Wirtschaft kommt trotz des überraschend starken Wachstums im ersten Quartal nicht in Schwung. China verzeichnet weiterhin ein hohes, aber sich verlangsamendes Wachstum. Die Rezession in Brasilien scheint sich allmählich abzuschwächen.

Deutsche Exporte weiter aufwärtsgerichtet

Angesichts des weltwirtschaftlich schwierigen Umfelds haben sich die deutschen Warenausfuhren in diesem Jahr bislang überraschend stark gezeigt. Trotz eines Rückgangs im Mai in jeweiligen Preisen um 1,8 % blieben sie im saisonbereinigten Dreimonatsvergleich mit +2,2 % deutlich aufwärtsgerichtet. Die Zuwächse kamen überwiegend aus dem Euroraum. Angesichts der gestiegenen Risiken der Weltwirtschaft dürften die Exporte in den nächsten Monaten moderater zunehmen. Die Einfuhren an Waren entwickelten sich demgegenüber schwach. Bei Stagnation im Mai nahmen sie im Dreimonatsvergleiche nominal um 2,2 % ab.

Die Produktion im Produzierenden Gewerbe blieb Mitte des zweiten Quartals ohne Schwung. Im Mai wurde 1,3 % weniger produziert als im Vormonat. In der Industrie ging die Erzeugung noch etwas kräftiger zurück (-1,8 %). Insbesondere die Herstellung von Investitionsgütern wurde zurückgefahren (-3,9 %). Im Baugewerbe wurde saisonbereinigt nochmals weniger produziert als im Vormonat (-0,9 %). Die Energieerzeugung wurde demgegenüber um 3,9 % ausgeweitet.

Geschäftsklima hellt sich auf

Zur schwachen Industrieproduktion hat allerdings die überdurchschnittliche Zahl an Brückentagen beigetragen. Die hierdurch ausgelösten vorübergehenden Produktionseinbußen werden bei der Saisonbereinigung nicht gesondert berücksichtigt. Aber auch die weniger durch Sondereinflüsse beeinflussten Zwei- und Dreimonatsvergleiche deuten auf eine leicht rückläufige Industrieproduktion hin (Stand Mai: -0,4 % bzw. -0,5 %). Auch die Auftragseingänge in der Industrie entwickeln sich gegenwärtig schleppend.

In den vergangenen Monaten hellte sich das Geschäftsklima im Verarbeitenden Gewerbe allerdings etwas auf. Nach einer etwas schwächeren Entwicklung im zweiten Quartal dürfte sich die Industrieproduktion im weiteren Verlauf daher moderat beleben. Die Produktion im Baugewerbe konnte saisonbereinigt das witterungsbedingt hohe Produktionsniveau des ersten Quartals noch nicht wieder erreichen. Ursache war nicht zuletzt nach dem milden Winter eine schwächere Frühjahrsbelebung als sonst üblich. Nach dem Auslaufen dieses Sondereffekts dürfte die für sich genommen gute Konjunktur im Baugewerbe wieder sichtbar werden.

Quelle: BMWi  Vorschau-Foto: Fotolia

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