Deutsche Werkzeugmaschinenhersteller stellen sich breiter auf
von Hubert Hunscheidt
Die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie lieferte im vergangenen Jahr rund 27 Prozent ihrer Produktion in die Automobil- und Zulieferindustrie, so das Ergebnis der aktuellen Kundenstrukturerhebung des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) unter seinen Mitgliedern.
Das ist ein Rückgang von rund 16 Prozentpunkten in nur vier Jahren. „Die Automobilindustrie bleibt eine der wichtigste Abnehmerbranche für die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie“, sagt Franz-Xaver Bernhard, der Vorsitzende des VDW. „In dem Ergebnis schlagen sich jedoch zwei Entwicklungen nieder. Zum einen investiert sie aufgrund der Transformation zum Elektroantrieb deutlich weniger in die Zerspanung. Zum anderen diversifizieren auch die Werkzeugmaschinenhersteller ihr Abnehmerportfolio.“ Tatsächlich habe sich der Anteil der OEMs seit 2019 auf 10 Prozent mehr als halbiert, während der Anteil der Zulieferer lediglich von 19,9 auf 17,2 Prozent gesunken ist.
Etliche Werkzeugmaschinenhersteller haben sich frühzeitig auf die Transformation eingestellt und bedienen auch den Markt für Elektromobilität. Wolfram Weber, Mitglied der Geschäftsleitung der Firma Grob in Mindelheim und Vorsitzender des VDW-Wirtschaftsausschusses, sagt stellvertretend: „Wir haben frühzeitig auf den Wandel hin zum Elektromotor reagiert und sind bereits 2016 in das Geschäftsfeld eingestiegen. Heute bieten wir umfassende Lösungen für Antriebs- und Energiespeichersysteme an, was sich in unseren Geschäftszahlen zeigt: Da auch die Zerspanungssysteme zum großen Teil Werkstücke für die E-Mobilität produzieren, macht dieser Bereich rund 60 Prozent unserer Leistung von rund 1,8 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2023/24 aus.
Wichtigster Abnehmer von Werkzeugmaschinen mit einem Anteil von rund 30 Prozent war 2023 erstmals der Maschinenbau mit seinen vielfältigen Teilbranchen. Sein Anteil hat seit 2019 um 6 Prozentpunkte zugelegt. Zu den wichtigsten Teilbranchen gehören der Werkzeug- und Formenbau, die Werkzeugmaschinenindustrie selbst, Landmaschinen sowie Komponenten wie Hydraulik und Pneumatik oder die Antriebstechnik.
Dieser Wandel steht exemplarisch für die notwendige Diversifizierung und Innovation im Maschinenbau, um den Herausforderungen einer sich verändern-den Industrielandschaft erfolgreich zu begegnen. Einer, der den Lieferanteil der Automobilindustrie drastisch gesenkt hat, ist Dr. Thorsten Schmidt, CEO der Heller Gruppe in Nürtingen. Er sagt: „Während 2017 noch 80 Prozent unseres Umsatzes aus dem Geschäft mit der Automobilindustrie stammten, sank dieser Anteil bis 2022 auf 50 Prozent. Im vergangenen Jahr entfielen im Auftragsein-gang nur noch 6 Prozent auf den Verbrennungsmotor. Die Bereiche Lkw und Landwirtschaft sind für uns allerdings weiterhin von zentraler Bedeutung. Wir fertigen mittlerweile Fräs-Dreh-Zentren sowie 4- und 5-Achs-Bearbeitungszentren für den Werkzeug- und Formenbau, die Luft- und Raumfahrtindustrie, den allgemeinen Maschinenbau und viele weitere Branchen.“
Im Ranking der wichtigsten Abnehmerindustrien nach Maschinenbau und Automobilindustrie folgen die Hersteller von Metallerzeugnissen, die Luft- und Raumfahrt, die Elektrotechnik/Elektronik sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung. Weitere bedeutende Abnehmerindustrien sind die Feinmechanik, der Schienenfahrzeugbau, die Energietechnik und die Medizintechnik. Sie alle haben in ihrem Anteil zugelegt. Hierin spiegeln sich Trends wie Digitalisierung, Energiewende und Klimaschutz, Modernisierung der Infrastruktur sowie eine älter werdende Gesellschaft wider.
Fazit Bernhard: „Die große Vielfalt der Abnehmerindustrien zeigt, dass die Werkzeugmaschinenindustrie ihre Rolle als Enabler ausfüllt und wachsenden Zukunftsbranchen einen großen Mehrwert bieten kann.“
Bildtext: Franz-Xaver Bernhard, Vorsitzender des VDW
Quelle und Beitragsbild: Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW) / Foto: Fotolia