Des einen Freud, des anderen Leid

von Alexander Kirschbaum

Die Stahlpreise sind in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Am stärksten betroffen sind Flachstahlerzeugnisse wie Bleche. Am Spotmarkt kostet das Referenzprodukt Warmbreitband aktuell um die 570, - €/t – vor einem Jahr hatte der Preis noch bei ca. 330, - €/t gelegen. Vor allem ab November 2016 sind die Preise steil gestiegen und haben mittlerweile den höchsten Stand seit 2011 erreicht. Anfang des Jahres 2017 hat der Anstieg zwar etwas an Dynamik verloren, in den ersten Wochen des Jahres zeigte die Preiskurve aber weiter nach oben. Auch bei Langprodukten wie zum Beispiel Walzdraht sind die Preise gegenüber dem Vorjahr kräftig gestiegen und Preiserhöhungen im dreistelligen Eurobereich keine Seltenheit. Die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Erzeugerpreise für Walzstahl lagen im Januar um 15% über dem Vorjahr und haben den höchsten Stand seit 2014 erreicht.
 
„Unsere Unternehmen haben einen Materialkostenanteil von durchschnittlich 60 % und werden daher mit voller Wucht von dieser Entwicklung getroffen. Nicht nur die Erträge, sondern auch die kurzfristige Liquidität sind bedroht“, sagt Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer beim Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM). Die Höhe und Schnelligkeit des Stahlpreisanstiegs überrascht viele Unternehmen. „Häufig wird über die weltweiten Überkapazitäten und die Krise am Stahlmarkt gesprochen, da passen durch die Decke schießende Stahlpreise erst einmal nicht ins Bild –trotzdem sind sie Realität für Stahlverarbeiter auf der ganzen Welt“, betont Vietmeyer.

Hohe Erz- und Kokspreise

Die Gründe für den Preisanstieg sind vielfältig und gehen überwiegend vom Weltmarkt aus. Der wichtigste Auslöser waren die gegenüber den Vorjahren deutlich erhöhten Preise der für die Stahlerzeugung wichtigen Rohstoffe. So haben sich die Preise für Kokskohle 2016 mehr als vervierfacht. Die Preise für Eisenerz haben sich innerhalb eines Jahres verdoppelt und notieren aktuell auf einem Zweieinhalbjahreshoch.

Neben den Preisen ist bei einigen Stahlerzeugnissen auch die Versorgung zu einem Problem geworden. Am EU-Markt wird laut WSM etwa bei verzinkten Blechen schon seit Monaten über lange Lieferzeiten und Versorgungsprobleme berichtet. Aufgrund von Antidumpingmaßnahmen der EU machen sich dem WSM zufolge zudem viele Markteilnehmer Sorgen, dass sich die Situation wegen ausbleibender Importmengen in den kommenden Monaten noch verschärfen könnte.

Blechumformende Industrie hat deutliche Mehrkosten

Laut dem Industrieverband Blechumformung (IBU) befürchten die Zulieferer der blechumformenden Industrie Lieferprobleme. Der gestiegene Stahlpreis verursacht bei einem beispielhaften Jahresbedarf von 7.000 Tonnen Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Euro pro Unternehmen, so der Verband. „Das kann ein Mittelständler nicht allein stemmen. Blechumformende Unternehmen müssen jetzt reagieren und den Kostenschub mit ihren Endkunden verhandeln“, so Bernhard Jacobs. Der Geschäftsführer des Industrieverbandes Blechumformung (IBU) sieht ansonsten eine branchenübergreifende Gefahr für die Lieferkette – nicht nur in der Automobilindustrie.

Unternehmen der blechumformenden Industrie zahlen durchschnittlich 220 Euro/t mehr als Anfang 2016 – das sind Mehrkosten von ca. 75 Prozent (Spotmarkt). Kunden sind vor allem Automobilhersteller, Systemlieferanten und andere Beteiligte der automobilen Supply-Chain. Das Thema betrifft aber auch andere Branchen. Umformteile aus Stahl kommen genauso in Elektroindustrie, Maschinenbau, „Weißer Ware“, der Medizintechnik und der Schloss- und Beschlagindustrie zum Einsatz.

Quelle: WSM, Industrieverband Blechumformung  Artikelfoto: Bernhard Jacobs, Geschäftsführer des Industrieverbandes Blechumformung (IBU), sieht eine branchenübergreifende Gefahr für die Lieferkette. (Foto: IBU)

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