Der rote EMO-Faden ist digital

von Alexander Kirschbaum

„Die wichtigste Aufgabenstellung für Hersteller und Anwender von Werkzeugmaschinen ergibt sich aus der Digitalisierung“, sagt EMO-Generalkommissar und VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. „Exakt dieses Thema adressiert die diesjährige EMO Hannover.“ Die Messe trägt für ihn dazu bei, Hürden auf dem Weg zur digitalen Transformation zu nehmen. Er bezeichnet Industrie 4.0 zudem als Mindset: Diese Denkweise sollte die Mitarbeiter auf Ideen bringen, wie sie Industrie 4.0 in die Tat umsetzen können.

„In Sachen Industrie 4.0 befinden wir uns kontinuierlich in der Weiterentwicklung“ konstatiert Klaus Eberts, Abteilungsleiter Key Account bei der Grob-Werke GmbH & Co. KG, Mindelheim. „Einen Großteil der Entwicklung übernimmt die interne Industrie 4.0-Abteilung.“ Bereits entwickelte Produkte wie Grob4Analyze oder Grob4Pilot dienen zur Produktions- und  zur Verfügbarkeitssteigerung. Die nächsten Projekte, die sich mit machine learning, virtuellen Welten sowie Energieeffizienz und Ressourcenschonung beschäftigen werden, sind bereits in Planung.

Das Unternehmen hat nicht nur für sich, sondern auch für Kunden und weitere Partner eine eigene Software namens Grob-Net4Industry mit zehn einzelnen Modulen entwickelt, die Produktionsanlagen digitalisiert und vernetzt. Doch nicht nur die Technik, sondern auch die Ergonomie spielt bei Industrie 4.0 eine immer wichtigere Rolle. Grob stellt dazu das besondere HMI-Bedienkonzept „Grob4Pilot“ (HMI: human machine interface) vor. Eine multifunktionale Bedieneroberfläche und die Unterstützung spezifischer Applikationen ermöglichen eine papierlose Produktion sowie eine ergonomische und intuitive Maschinenbedienung.

Trendscouting zu E-Mobilität, Leichtbau und Industrie 4.0

Die Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH aus Nürtingen geht Industrie 4.0 bereits seit 2010 an – also lange bevor der heute allgegenwärtige Begriff geprägt wurde. Das Unternehmen hat hierzu einen separaten Entwicklungsbereich mit dem Namen Development New Business & Technologies eingerichtet. Der Vorteil einer derartigen speziellen Abteilung: Sie nimmt neue Technologien unter die Lupe, um daraus zukünftige Geschäftsfelder zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht seit sieben Jahren das gezielte Trendscouting zu den Themen Kohlendioxid- und Verbrauchsreduzierung bei Verbrennungsmotoren, E-Mobilität, Leichtbau und Industrie 4.0. Kernaspekte der Digitalisierung sind ergänzende Maschinenfunktionalitäten, Dienstleistungen on demand und erweiterte Servicemöglichkeiten.

Den Ansatz erklärt Bernd Zapf, Bereichsleiter von Development New Business & Technologies: „Unter dem Dach Heller4Industry bündeln wir alle Aktivitäten, die im Zusammenhang mit Industrie 4.0 und der Digitalisierung der Prozesskette stehen. Ein Ziel in der Zerspanung ist es, die Produktivität weiter zu steigern und damit einen Mehrwert für Kunden zu schaffen. Die Steigerung der overall equipment effectiveness (OEE) – für uns das Produkt aus den Größen Verfügbarkeit, Produktivität und Qualität – gelingt dann, wenn die Maschine in Einklang mit den Randbedingungen steht.“

Das Werkzeug und sein digitaler Zwilling

„Der Weg in Richtung Industrie 4.0 wird ohne die Daten der Fertigungshilfsmittel ins Leere führen“, so Dr.-Ing. Götz Marczinski, Geschäftsführer der Cimsource GmbH aus Aachen. „Die Fähigkeit, diese Daten zu liefern und mit ihnen umzugehen, wird in Zukunft wettbewerbsnotwendig sein.“ Eines der wichtigsten Fertigungshilfsmittel ist beim Zerspanen zweifellos das Werkzeug. Mit Blick auf die Datentransparenz steht und fällt Industrie 4.0 jedoch mit dem digitalen Abbild des realen Werkzeugs. Dieser so genannte digitale Zwilling mit allen relevanten Daten hilft bei der Simulation der Zerspanung, dem „Bestücken“ einer virtuellen Werkzeugmaschine oder beim Digitalisieren der Wertschöpfungskette in der Fabrik (Supply Chain).

 Inspiriert wurde der Maschinenbauingenieur und Absolvent der RWTH Aachen vom dortigen Konzept des internet of production und der damit einhergehenden Idee von einer einheitlichen, durchgängigen Datenstruktur (Stichwort: single source of truth). Als eine Art Machining-Google entstand die Plattform ToolsUnited, deren neueste Funktionen das Unternehmen auf der EMO Hannover vorstellt. Dazu zählt beispielsweise die Möglichkeit für Werkzeughersteller, ein eigenes Portal zu betreiben, über das sie mit ihren Lieferanten direkt kommunizieren.

„Wir verstehen uns als Händler des internet of production, der den Werkzeugherstellern bei der Datenaufbereitung und dem Erstellen der digitalen Zwillinge hilft, die wir dann zu einem Standardformat zusammenführen“, sagt Marczinski. „Der Endabnehmer erhält auf diese Weise eine single source.“ Nutzer von ToolsUnited finden mit Hilfe der Datenbank den passenden Webshop und dort ihre regionalen Lieferanten. Weil ToolsUnited jedoch keine Handelsplattform ist, läuft der Kauf über die jeweiligen Web-Shops.

Digitale Messtechnik macht die Arbeit komfortabler

Doch Industrie 4.0 bedeutet auch smart factory, in der automatisches, schnelles und bedienerfreundliches Messen oberste Priorität besitzt: Die Bandbreite reicht von der Handmesstechnik mit Funkübertragung bis zur automatisierten elektronisch geregelten Messmaschine mit Roboterbeladung. „Unsere digitalen Bügelmessschrauben, Messschieber und -uhren machen die tägliche Arbeit in der Qualitätssicherung von Fertigungsbetrieben deutlich komfortabler“, sagt Utz Wolters, Leiter des Branchen- und Applikationsmarketing bei der Mahr GmbH, Göttingen. „Diese Messgeräte verfügen über das bedienerfreundliche Funksystem integrated wireless, das die Bewegungsfreiheit des Anwenders erhöht.“ Beim Messen an Bearbeitungsmaschinen oder an größeren Werkstücken entfalle daher beispielsweise das störende Arbeiten mit Datenkabeln.

VDMA-Forum auf der EMO 2017

Vom 19. bis 21. September stellen VDMA-Mitgliedsunternehmen und Partner aus der Forschung auf der EMO Hannover in 30 kurzen Vorträgen auf dem VDMA-Stand innovative Ideen und Produkte zu Industrie 4.0 vor. Im Mittelpunkt stehen Vorträge zu konkreten technischen Umsetzungen aus den Bereichen Präzisionswerkzeuge, Mess- und Prüftechnik, Forschung und Werkzeugdatenaustausch. Besucher erfahren, wie intelligente Spannsysteme arbeiten und wie sich durch Vernetzung von Werkzeugen und Software Fertigungsprozesse simulieren, Werkzeuglebenszyklen überwachen und Kosten senken lassen.

Quelle: VDW  Vorschau-Foto: Fotolia

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