Der große Wurf?
von Hans Diederichs
Unter teils frenetischem Jubel der Öffentlichkeit haben sich am Wochenende in Paris erstmals 196 Staaten auf ein verbindliches Klimaziel geeinigt. Kanzlerin Angela Merkel sprach von einer Weichenstellung in Richtung Vernunft. Gelobt wurde von Beobachtern vor allem die umsichtige Rolle Frankreichs. Die Gastgeber hatten aus dem Debakel vom letzten Klimagipfel in Kopenhagen gelernt und die Staats- und Regierungschef ganz zu Anfang des Gipfels zu Wort kommen lassen. Damit waren die Delegationen unter Druck, am Ende der Verhandlungen auch Ergebnisse zu liefern.
Besonders überrascht hat viele, dass China sich bereit erklärt hat, sich zusammen mit den Industriestaaten an einer Gegenfinanzierung für die ärmeren Länder zu beteiligen. Ab 2020 sollen rund 100 Milliarden US-Dollar an Klimaschutzhilfe an die Entwicklungsländer fließen. Ein Verteilungsschlüssel steht aber noch nicht fest.
Kein Grund zu Entwarnung
Auch wenn die Ergebnisse des Gipfels also in die richtige Richtung gehen, so wurde bei näherem Hinsehen erschreckend wenig beschlossen, abgesehen von der allgemeinen Verpflichtung aller Regierungen, ihren Teil zum Klimaschutz beizutragen. Bei den konkreten Maßnahmen jedoch blieb das Abschlusspapier vage. Vor allem drei ungeklärte Punkte machen den Experten Sorgen: Der Energiehunger in Asien, der Umgang mit dem niedrigen Ölpreis und die Rhetorik der Republikaner in den USA.
Schon vor dem Ende der Pariser Konferenz wies z.B. das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln darauf hin, dass von den zehn größten Klimasündern weltweit mittlerweile sechs in Asien sitzen. "Während Europa den CO2-Ausstoß aus fossilen Brennstoffen seit 1990 um rund 700 Millionen Tonnen gesenkt hat, legte Asien um 10.000 Millionen Tonnen zu", schreibt IW-Köln-Ökonom Thomas Puls. Er empfiehlt, den in Europa bewährten Emissionshandel auch auf Schwellenländer wie China anzuwenden. Dadurch würden Anreize zum Energiesparen gesetzt, zudem wäre es auch unter Wettbewerbsgesichtspunkten eine faire Lösung. Puls weist jedoch darauf hin, dass die tatsächliche Einsparung immer vom politischen Ehrgeiz der jeweiligen Regierung abhängt.
In den Industrieländern ist es der derzeit niedrige Ölpreis, der zwar die Autofahrer freut, aber nicht gerade zu mehr Energieeffizienz verleitet. Der ohnehin niedrige Absatz von Elektroautos war in Deutschland zuletzt leicht rückläufig, wenn man Lagereffekte außen vor lässt. Auto-Fachmann Prof. Ferdinand Dudenhöffer wies am Montag darauf hin, dass alternative Antrieb trotz der Klimadiskussion ins Hintertreffen geraten. Schon im August schrieb der Automobil-Experte: "Die niedrigen Treibstoffpreise befördern den Kauf von PS-starken SUV und lassen den Verkauf von elektroangetriebenen und Hybrid-Fahrzeugen verkümmern. Wenn diese Entwicklung nicht aufgehalten wird, werden die deutschen Autohersteller Schwierigkeiten haben, ihre Emissionsnormen zu erfüllen."
In den USA droht der Rückschlag
Der niedrige Ölpreis ist wiedrum eine Folge des Verdängungswettbewerbs, den sich derzeit die OPEC-Staaten, vor allem Saudi-Arabien, mit den Schieferölproduzenten der USA liefern. Eine Ende ist dabei bisher nicht abzusehen. Und auch wenn das Klima-Abkommen eines er letzten großen und ambitionierten Projekte in der Amtszeit von US-Präsident Obama gewesen sein dürfte, so ist keineswegs sicher, dass sich die USA langfristig an diese Regeln gebunden fühlen. Der Republikaner Mitch McConnell, Mehrheitsführer im US-Senat, kündigte bereits an, den Klimavertrag "zu zerfetzen", da er den US-amerikanischen Unternehmen schade.
Der Klimavertrag von Paris mag ein historisches Dokument sein. Der große Wurf ist er aber noch nicht, denn nun beginnen erst die Mühen der Ebene: die konkrete Umsetzung der vereinbarten Ziele.
Quelle: marketSTEEL; Vorschau-Foto: fotolia