Commerzbank Rohstoffexperten revidieren ihre Prognose

von Angelika Albrecht

Nach einer kurzen Verschnaufpause haben die Metallpreise wieder die Raketen gezündet. Angefacht von Angebotssorgen hat der LME-Industriemetallindex ein Rekordhoch erreicht. Die Commerzbank geht davon aus, dass sich die Versorgungslage an einigen Metallmärkten zunächst noch verschlechtert. Daher dürften die Metallpreise in den kommenden Monaten hoch bleiben bzw. weiter steigen. Deshalb revidieren die Rohstoffanalysten ihre Prognosen für das vierte Quartal und für 2022 nach oben.

Mit 4.763 Punkten hat der LME-Industriemetallindex (LMEX) ein neues Allzeithoch aufgestellt. Das bisherige Rekordhoch war im Mai 2007. Zuletzt hat sich der Anstieg der Metallpreise wieder beschleunigt. Kupfer ist mit rund 10.400 USD je Tonne seinem Allzeithoch aus dem Mai wieder nahe gekommen, Zinn hat mit knapp 39.000 USD je Tonne bereits einen neuen Höchstwert markiert. Aluminium hat mit über 3.200 USD je Tonne das höchste Niveau seit über 13 Jahren und Zink mit fast 4.000 USD je Tonne den höchsten Wert seit über 14 Jahren erklommen. Nickel hat die Marke von 20.000 USD je Tonne zurückerobert. Auch Blei wurde von den anderen Industriemetallen mit nach oben gezogen. Einzig Eisenerz hat nicht an der Rally teilgenommen.

Angebotssorgen fachen Preisanstieg an

Angefacht wurden die Metallpreise von immer stärker werdenden Angebotssorgen der Marktteilnehmer. Diese haben in China ihren Anfang genommen und sind mittlerweile nach Europa herübergeschwappt. Wie die Commerzbank berichtet, hatten die Behörden in China wegen einer Energieknappheit die Industrieunternehmen aufgefordert, ihre Energieintensität zu senken. Einige Provinzregierungen haben den Unternehmen die Stromzufuhr rationiert, was sich mittlerweile in einer geringeren Produktion von Metallen niederschlägt.

So ist zum Beispiel gemäß Daten des Nationalen Statistikbüros die chinesische Aluminiumproduktion im September auf das niedrigste Niveau seit Juni 2020 gefallen. Um die Stromproduktion attraktiver zu machen, hat die chinesische Regierung unlängst einen Anstieg der Strompreise um bis zu 20% zugelassen. Gemäß dem Daten- und Nachrichtenanbieter SMM hat dies wie auch der Anstieg der Alumina-Preise die Margen der chinesischen Aluminiumschmelzen deutlich geschmälert. Laut SMM lag der durchschnittliche Gewinn zuletzt zwar immer noch bei umgerechnet rund 400 USD je Tonne. Mitte September war die Marge allerdings noch mehr als doppelt so hoch.

Hohe Energiepreise führen zu Produktionskürzungen

Nach Analysten der Commerzbank hat die aktuell hohe Nachfrage nach Energieträgern dazu geführt, dass deren Preise in die Höhe geschossen sind: Der Brent-Ölpreis notiert mit rund 85 USD je Barrel auf einem 3-Jahreshoch und damit 64% höher als zu Jahresbeginn. Der europäische Gaspreis am virtuellen Knotenpunkt TTF ist auf rund 100 EUR je MWh gesprungen (Anfang des Monats kostete Erdgas sogar kurzzeitig 155 EUR je MWh, ein noch nie gesehener Wert) und hat sich allein seit Jahresbeginn verfünffacht. Und Kohle in Rotterdam hat sich auf 240 USD je Tonne verteuert – zu Jahresbeginn kostete die Tonne dort noch rund 70 USD.

Die stark gestiegenen Energiepreise haben die Produktionskosten der Primärproduzenten in der Metallindustrie massiv erhöht. In manchen Fällen offenbar zu stark. Denn Mitte Oktober hatten kurz hintereinander zwei führende Zinkproduzenten angekündigt, wegen der hohen Energiekosten die Produktion in ihren europäischen Werken zu drosseln.

Einer der Produzenten bezifferte den geplanten Produktionsrückgang auf bis zu 50%. Dieser Produzent hat Commerzbank-Recherchen zufolge in seinen europäischen Werken in Holland, Belgien und Frankreich eine jährliche Produktionskapazität von zusammen rund 700 Tsd. Tonnen Zinkmetall und 200 Tsd. Tonnen Zinklegierung. Sollten die Produktionskürzungen wie angekündigt umgesetzt werden, würden dem Markt also knapp 30 Tsd. Tonnen Zinkmetall pro Monat fehlen.

Der andere Produzent hat seine geplanten Kürzungen zwar noch nicht beziffert, er hat in seinen europäischen Werken in Spanien, Deutschland und Italien im ersten Halbjahr 2021 aber fast 400 Tsd. Tonnen Zinkmetall hergestellt (also ca. 65 Tsd. Tonnen pro Monat). Selbst bei moderaten Kürzungen in diesen Werken würde sich die Versorgunglage am Zinkmarkt weiter verschlechtern. Die Commerzbank hält den Zinkmarkt in der nahen Zukunft für stark unterversorgt.

Metallmärkte angespannter als bislang prognostiziert

Die International Study Groups hatten auf ihren Herbsttagungen Anfang Oktober ihre Überschuss-Schätzungen der jeweiligen Metallmärkte für dieses Jahr bereits deutlich reduziert, bevor es die jüngsten Nachrichten zu den Produktionskürzungen gab. Der globale Zinkmarkt soll demnach in diesem Jahr nur noch dank der Freigabe chinesischer Staatsreserven nennenswert überversorgt sein. Die Schätzungen zur Bilanz bei Kupfer und Nickel wurden sogar ins Negative, also in ein Angebotsdefizit, gedreht. Im nächsten Jahr sollen die Metallmärkte Stand jetzt alle überversorgt sein – im Falle von Kupfer deutlich, im Falle von Nickel, Zink und Blei nur leicht.

Auch der globale Aluminiummarkt dürfte sich nach Ansicht der Commerzbank-Analysten weiter anspannen, denn die Aluminiumproduktion sollte auch außerhalb Chinas wegen der hohen Energiepreise sinken. Die Energiekosten machen im Falle von Aluminium rund 40% der Produktionskosten aus. Es würde uns daher nicht wundern, wenn demnächst auch Aluminiumhersteller Produktionskürzungen ankündigen würden. Zumindest im Falle weiter rasant steigender Energiepreise und der damit verbundenen Margenreduktion.

Die Aluminiumproduzenten haben derzeit nach Informationen der Commerzbank noch ein weiteres Problem, wodurch ihre Produktion eingeschränkt werden könnte: China hat die Produktion von Magnesium und Silizium drastisch gedrosselt (gemäß Daten der US-Geologiebehörde USGS steht China für 90% der weltweiten Magnesium- und für zwei Drittel der weltweiten Siliziumproduktion). Beide Rohmaterialien sind aber essenziell für die Herstellung einiger Aluminiumprodukte – sie werden als Härtemittel eingesetzt. So manch ein Aluminiumproduzent hat bereits davor gewarnt, deswegen seine Produktion im nächsten Jahr ggf. drosseln zu müssen.

Zur Materialknappheit kommen die andauernden Logistikprobleme hinzu. Laut Commerzbank sind nach wie vor Container knapp und vor einigen Häfen haben sich lange Warteschlangen von Schiffen gebildet. Der von Drewry berechnete Welt-Container-Index für 40-Fuß-Container hat seinen rasanten Anstieg zwar gestoppt, mit knapp 10.000 USD je Container bleibt er aber in Schlagweite zu seinem Rekordhoch. Einige Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Logistikprobleme bis weit ins nächste Jahr hinein anhalten und die Frachtkosten entsprechend hoch bleiben werden.

Abwärtsrevision bei Eisenerz

Während das knapper werdende Angebot die Preise der Metalle in die Höhe getrieben hat, sieht die Lage bei Eisenerz anders aus. Da in China auf Anordnung der Behörden die Stahlproduktion drastisch gedrosselt wird, dürfte die Nachfrage nach Eisenerz geringer ausfallen.

Gemäß Daten des Nationalen Statistikbüros lag die Stahlproduktion im September 21% unter Vorjahr. In den ersten drei Quartalen wurde somit nur noch 2% mehr Stahl als im entsprechenden Vorjahreszeitraum hergestellt. Vorgabe ist, dass die Stahlproduktion ihr Niveau des Vorjahres nicht überschreitet. Das heißt, sie muss auch in den kommenden Monaten weiter gedrosselt bleiben.

Dies sollte den Eisenerzpreis in Schach halten. Nachdem sich der Preis von Mitte Juli bis Mitte September mehr als halbiert hatte und zwischenzeitlich unter der Marke von 100 USD je Tonne notierte, hat er sich mittlerweile bei rund 120 USD stabilisiert.

Von diesem Niveau aus sehen die Rohstoff-Spezialisten der Commerzbank aktuell kaum Aufwärtspotenzial. Unterstützung erhält der Preis allerdings von Nachrichten großer Produzenten, die im letzten Quartal aus verschiedenen Gründen weniger Eisenerz produziert haben. Einer hat auch seine Produktionsprognose nach unten revidiert. Deshalb reduziert auch die Commerzbank ihre Preisprognose für das laufende und die kommenden Quartale.

Aufwärtsrevision bei den Industriemetallen

Dagegen hebt die Commerzbank die kurzfristigen Prognosen für viele Metallpreise an. Die Analysten gehen aktuell von einer sich verschlechternden Versorgungslage an vielen Märkten aus, was die Preise weiter steigen lassen oder zumindest auf ihren hohen Niveaus stützen sollte.

Während sich der Fokus der Marktteilnehmer derzeit auf die (potenziellen) Angebotsausfälle der Primärproduzenten richtet, erwartet die Commerzbank, dass wegen der hohen Energiepreise auch das verarbeitende Metallgewerbe in Mitleidenschaft gezogen wird. Nach Meinung der Commerzbank wird sich dies nach einer gewissen Verzögerung in einer niedrigeren Metallnachfrage widerspiegeln.

Darüber hinaus dürfte die Nachfrage generell wegen der hohen Preise gebremst werden. Gemeinsam mit den von den International Study Groups erwarteten Angebotsüberschüssen im nächsten Jahr spricht dies für eine Preiskorrektur im Laufe des nächsten Jahres.

Neben dem aktuellen Quartal revidieren die Commerzbank Research-Spezialisten auch ihre Preisprognosen für das nächste Jahr in vielen Fällen nach oben. Die Feinabstimmung nimmt die Commerzbank mit ihrem Jahresausblick 2022 vor, der im Dezember veröffentlicht wird. Dort wirft sie auch einen detaillierten Blick auf die Lage und die Aussichten an den einzelnen Metallmärkten.

Quelle: Commerzbank Commodity Research / Vorschaubild: Fotolia

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