China kann nicht ohne den Westen

von Hubert Hunscheidt

Angesichts des drohenden Konflikts zwischen China und Taiwan wächst die Sorge um die Abhängigkeit Deutschlands von China. Umgekehrt ist aber auch die Volksrepublik stark auf Importe aus dem Westen angewiesen, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Sollte der Konflikt eskalieren, hätte der Westen ein erhebliches Drohpotential.

Würde es im Falle eines Konflikts um Taiwan im Extremfall keine Importe mehr aus China geben, wäre das für viele Unternehmen eine Katastrophe – denn die Abhängigkeit hatte zuletzt Rekordwerte angenommen. Dabei wird oft vergessen: Auch China ist auf westliche Einfuhren angewiesen – also auf Importe aus Europa, Kanada, den USA, aber auch Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Neue IW-Berechnungen zeigen: 2021 machten diese 53 Prozent aller Importe in das Reich der Mitte aus. Bei den 20 wertmäßig wichtigsten Importgütern kamen durchschnittlich 52 Prozent aus westlichen Ländern.

China braucht westliche Halbleiter

Vor allem bei westlichen Technologieprodukten braucht China den Westen:

2021 importierte China Halbleiter im Wert von 433 Milliarden US-Dollar, davon kamen 32 Prozent aus dem Westen. Zählt man die Computerchips aus Taiwan dazu, steigt dieser Anteil auf 68 Prozent. Vor allem modernste Chips zu ersetzen, dürfte für China schwierig bleiben, vor allem weil auch ihre Produktionsmaschinen zu 76 Prozent aus dem Westen kommen – und weil am Halbleitersektor umfangreiche US-Sanktionen ansetzen.

Auch bei anderen bedeutenden Einfuhrwaren ist China stark von westlichen Importen abhängig. Dies trifft beispielsweise auf Flugzeuge (99 Prozent westlicher Anteil bei Luft- und Raumfahrttechnik), Autos (97 Prozent) sowie auf Arzneimittel (94 Prozent) zu – letztere mit einem Importwert von rund 24 Milliarden US-Dollar.

Ebenfalls schwer ersetzbar sind einige Rohstoffe und Lebensmittel – hier bestehen für China teils sehr hohe Import-Export-Verhältnisse, das heißt, es importiert bei einigen Gütern ein Vielfaches dessen, was es exportiert. Das Import-Export-Verhältnis liegt bei Erzen bei 60 zu 1, bei Fleisch bei 36 zu 1 und bei Getreide bei 18 zu 1. Schweinefleisch importiert China immerhin zu 77 Prozent aus dem Westen, bei Mais sind es 70 Prozent.

Und auch bei manchem Luxusprodukt müssten Chinesinnen und Chinesen Verzicht üben: Ätherische Öle und Parfüms kommen etwa mit einem Anteil von 96 Prozent fast ausschließlich aus dem Westen.

Kann China die Import-Lücke schließen?

Im Konfliktfall könnte der Westen diese Abhängigkeiten nutzen, um die chinesische Wirtschaft durch Sanktionen unter Druck zu setzen. Das hat China unlängst erkannt und bemüht sich, Importe auf Drittstaaten, etwa in Afrika oder Südostasien zu verlagern. Zudem bemüht sich die chinesische Regierung, Technologie und Expertise im eigenen Land anzusiedeln – und lockt deshalb Forschung und Produktion ausländischer Firmen mit Fördergeldern. „Europäische Firmen, die die Chancen in China weiter nutzen wollen, werden so zu Figuren auf dem Schachbrett der Weltpolitik“, sagt IW-China-Experte Jürgen Matthes. „Noch kann auch China nicht ohne uns. Wir müssen aber zusehen, dass das Ungleichgewicht in den wirtschaftlichen Beziehungen nicht weiter zunimmt“, ergänzt Ko-Autor Simon Gerards Iglesias.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. / Foto: marketSTEEL

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