Brexit könnte Deutschland Wachstum kosten

von Hans Diederichs

Nach einer aktuellen Prognose des DIW Berlin dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,7 und im nächsten Jahr um 1,4 Prozent steigen. Konsumausgaben stützen weiterhin das Wachstum, nehmen aber nicht mehr so stark zu wie zuletzt, denn die wieder anziehenden Energiepreise dämpfen die Realeinkommen. Die Weltwirtschaft kommt nicht in Fahrt und ein Brexit würde das Wachstum deutlich schwächen.

Brexit-Votum würde deutsches Wirtschaftswachstum 2017 dämpfen

Ein Risiko für die deutsche Wirtschaft ist ein Votum der britischen Bevölkerung gegen den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union. Schon ein Sieg der Brexit-Befürworter bei dem Referendum würde den britischen Außenhandel bremsen. Da das Vereinigte Königreich der drittgrößte Handelspartner der deutschen Wirtschaft ist, dürften auch hierzulande die Auswirkungen spürbar sein; vor allem in exportstarken Branchen wie der Automobil-, der Chemie- und Pharmaindustrie sowie dem Maschinenbau. Insgesamt exportiert Deutschland Waren und Dienstleistungen im Wert von etwa 120 Milliarden Euro nach Großbritannien, das sind rund acht Prozent aller deutschen Ausfuhren.

Der direkte Effekt einer Brexit-Entscheidung könnte das Wachstum der deutschen Exporte dämpfen – den DIW-Berechnungen zufolge im kommenden Jahr um einen Prozentpunkt oder knapp 15 Milliarden Euro. Dies würde für sich genommen das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozentpunkte im kommenden Jahr und um 0,1 Prozentpunkte in diesem Jahr senken. Dabei ist zu beachten, dass es sich nur um die direkten Effekte handelt, die sich in den deutschen Exporten nach Großbritannien widerspiegeln. Indirekte Effekte wie Finanzmarktverwerfungen, sinkende Direktinvestitionen und Preiseffekte sind kaum präzise zu schätzen und daher in den Berechnungen nicht berücksichtigt.

Weltwirtschaft wächst schwächer als zuletzt erwartet

Negativ auf die deutschen Exporte auswirken könnte sich auch eine stärker als erwartete Abschwächung der chinesischen Wirtschaft. Während die Nachfrage insbesondere in Europa robust ist, entwickeln sich wichtige Absatzmärkte in Schwellenländern nur äußerst verhalten: In China müssen weiter Überkapazitäten abgebaut werden, was das Wachstum verlangsamt, und Brasilien und Russland stecken nach wie vor in der Rezession. Unter dem Strich dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr mit 3,2 Prozent etwas schwächer expandieren als noch vor einem Vierteljahr vom DIW Berlin erwartet. Auch im Euroraum geht es insgesamt nur verhalten aufwärts: Die Wirtschaftsleistung der Währungsunion wird wohl um 1,6 Prozent in diesem und um 1,7 Prozent im nächsten Jahr zunehmen.

Beschäftigung in Deutschland steigt weiter

In Deutschland treibt die starke Binnenkonjunktur das Wirtschaftswachstum. Der Beschäftigungsaufbau setzt sich fort, wenn auch mit leicht abnehmendem Tempo: Die Zahl der Erwerbstätigen steigt in diesem Jahr wohl um 530.000 Personen und im kommenden Jahr um 380.000. Die Arbeitslosenquote dürfte weiter zurückgehen, auf 6,1 Prozent in diesem und 6,0 Prozent im nächsten Jahr.

Obwohl die Ausgaben für Unterbringung, Versorgung und Integration der AsylbewerberInnen beträchtlich sein werden und in diesem Jahr bei knapp zwölf Milliarden Euro und im kommenden Jahr bei knapp 13 Milliarden Euro liegen dürften, schließen die öffentlichen Haushalte in beiden Jahren mit einem Überschuss ab (siehe dazu auch die Pressemitteilung des DIW Berlin zur Finanzpolitik). Die Spielräume werden allerdings kleiner, sodass sich die Wirtschaftspolitik nach DIW-Einschätzung auf Maßnahmen konzentrieren sollte, die die Chancen auf künftiges Wachstum erhöhen. Dazu gehören zielgenaue Mittel für Investitionen genauso wie eine Entlastung des Faktors Arbeit, indem die Sozialbeiträge gesenkt werden.

Quelle: DIW; Vorschau-Bild: Hessische, Britische und Deutsche Fahne vor dem Frankfurter Römer beim Besuch der Queen im Juni 2015 (Foto: marketSTEEL/ us)

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