Automatisierter Kranbetrieb in der Haubenglühanlage

von Alexander Kirschbaum

Kranbau Köthen liefert kundenspezifische Kransysteme

Smarte Hebezeuge und Automatikkrane: Die Digitalisierung ist auch beim Mittelständler Kranbau Köthen ein wichtiges Thema. Die Anforderungen des Marktes ändern sich hin zu einer Automatisierung der Krantechnik. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Erhöhung der Produktivität beim Kunden, Reduzierung von Schäden, weniger Verschleiß, geringere Kosten, verbesserter Qualitätsstandard durch automatisierte Abläufe, Zeitersparnis und Flächeneinsparung.

Bilstein setzt auf automatisierte Coilförderstrecke

Die international agierende Bilstein Group betreibt als Hersteller von Kaltband am Standort Hagen-Hohenlimburg eine der modernsten Haubenglühanlagen mittels Krantechnik. Aufgabe der Anlagen ist das Entspannungsglühen warm- und kaltgewalzter Stahlbandcoils mit Bundgewichten von bis zu 30 t, Außendurchmesser bis 2.000 mm und Bundbreiten bis 1.350 mm. Die aus dem eigenen Walzwerk angelieferten Coils werden identifiziert und automatisch vorchargiert.

In zwei neuen Hallen arbeiten drei Brückenkrane und die Coilförderstrecke im Automatikbetrieb. In der ersten Halle befindet sich der Glühekran. In der aktuell fertiggestellten zweiten Halle der Coillagerkran und in der Hallenverbindung unterhalb der Warte der Konvektorscheibenhandlingkran und die Coilförderstrecke. Die Automatikanlagen arbeiten in verschiedenen Schutzzaunbereichen, so dass bei Störung einer Anlage die anderen ungestört weiter arbeiten können.

Verteilte Automatisierung

Für diesen speziellen Kranbetrieb hat sich Kranbau Köthen externe Spezialisten ins Boot geholt. So hat Fa. Bormann + Reinhold  für die spezifischen Anforderungen des mannlosen Kranbetriebs ein verteiltes Automatisierungskonzept, basierend auf zwei fehlersichere Simatic S7-300F, erstellt. Ein F-Controller ist im zentralen Schaltschrank am Boden installiert und verarbeitet über Standard- und fehlersichere Peripheriebaugruppen sowohl die üblichen Ablauf- als auch die sicherheitsgerichteten Signale der Schutztüren, Lichtschranken und Nothalttaster.

Außerdem ist über den Controller die Funksteuerung für den Handbetrieb angebunden. Über Ethernet Kommunikationsprozessorenist der Datenaustausch mit der Scada-Ebene – Simatic WinCC-Server im zentralen Serverraum und WinCC-Clients in der Halle und der Leitwarte sowie mit dem BDE-System und der Glühsteuerung realisiert. Darüber hinaus fungiert die stationäre Steuerung als Schnittstelle für den Fernzugriff auf die Anlage über VPN (Virtual Private Network).

Isolierter Schaltraum für Automatisierungstechnik

Bindeglied zwischen den fehlersicheren Steuerungen am Boden und den Kranen sind WLAN-Access-Point Scalance W788-1 Pro und ein IWLAN-Client-Module Scalance W746-1 Pro.  Über die Drahtlose Verbindung werden ablauf- und sicherheitsrelevante Signale fehlersicher übertragen und der Kran bei Störungen in einen sicheren Zustand gebracht, womit der Performance Level PL d nach  EN ISO 13849-1 erreicht wird.

Weil über den Glühsockeln Temperaturen von bis zu 75°C auftreten, ist das Gros der Automatisierungstechnik auf dem Glühekran in einem isolierten und klimatisierten Schaltraum in einem Brückenträger montiert. So auch das Motion Control System Simotion D435 in der Aufbautechnik des modularen Antriebssystems Sinamics S120. Dieses ist über Profibus an die Kransteuerung angebunden und koordiniert die Verfahrbewegungen in den Hauptachsen.

Um Schrägstellungen auf der Kranbahn und daraus resultierende Ungenauigkeiten oder Probleme zu verhindern, ist die Wegmessung beidseitig in Kranfahrrichtung mittels Absolutwert-Wegmesssystem und die Antriebe der linken und rechten Fahrwerksseite in Master-Slave-Regelung betrieben. Diese Gleichlaufregelung überlagert ein virtueller Master, der die gesamte Fahrbewegung im Motion Controller koordiniert. Katze und Hubwerke sind als Positionierachsen mit externen Gebern ausgestattet, damit werden die eingangs genannten Toleranzen eingehalten.

Schutz vor Kollisionen

Umgesetzt werden die Fahrbewegungen über Standardmotore, vier im Kranfahrwerk, zwei an der Katze und jeweils zwei bei den Hubwerken. Die Absolutwert-Motorgeber sind über den digitalen Systembus DriveCliq mit den Regelungsbaugruppen (Control Units) des Motion-Control-Systems verbunden; an der Katze und den Hubwerken erfolgt dies über einen Lichtwellenleiterumsetzer.

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Sicherheits-Dreh- und Positionsgeber zur fehlersicheren Überwachung der programmierbaren Schutzbereiche im Automatikbetrieb. Diese sind über Profibus und das Profisafe-Protokoll an die fehlersichere Kransteuerung angebunden. Vereinfacht wird das sicherheitsgerichtete Abschalten im Fehlerfall durch Nutzung der Sicherheitsfunktion STO (Safe Torque Off) im Antriebssystem. Mit den Software-Endschaltern im SPS-Programm sind somit drei Überwachungsebenen realisiert, um Schutzverletzungen und Kollisionen sicher zu verhindern.

Für nur minimale Pendelbewegungen beim Beschleunigen und Bremsen sorgt ein Pendelregelungssystem (Pendeldämpfung) für die drei Hauptachsen. Damit wird eine Positioniergenauigkeit von +/- 15 mm erreicht, was ein deutlich schnelleres Handling der Lasten ermöglicht.

Eliminierung von Schäden

Durch die vollständige Automatisierung des Kranbetriebes kann Bilstein die Glühsockel so eng wie nie zuvor anordnen und das Coillager optimieren. Nach der Glühe hat Bilstein nun auch die Coillagerhalle mit Konvektorscheibenhandling automatisiert. Die Präzision der Automatikanlagen hat laut Kranbau Köthen zur Eliminierung von Schäden an Anlagenteilen geführt.

Quelle: Kranbau Köthen  Bildtext: Grafische Darstellung der automatisierten Coilförderstrecke (Fotos: Kranbau Köthen)

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