App zum Tracking von Schubleichtern
von Hubert Hunscheidt
Rund 240 Kilometer sind es mit dem Schiff über den Rhein vom Europoort Rotterdam bis zum Hüttenwerk von thyssenkrupp Steel in Duisburg. Die Wasserachse spielt bei der Rohstoffversorgung des Werks eine wichtige Rolle und der direkte Weg ist ein entscheidender Standortvorteil: Bis zu 10.000 „Schubleichter“ beliefern den Werkhafen jedes Jahr mit Eisenerz, Kohle sowie weiteren benötigten Rohstoffen. Dabei handelt es sich um schwimmende Container, die mit ihren mehr als 75 Metern Länge jeweils bis zu 2.700 Tonnen Rohstoffe transportieren können. Ein Verkehrsaufkommen, das gut koordiniert sein will, denn der Platz in den eigenen Häfen Walsum und Schwelgern ist endlich: nur eine begrenzte Zahl von Leichtern kann gleichzeitig geparkt oder gelöscht werden. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie in der Logistik optimiert thyssenkrupp Steel die Leichterkoordination nun mit moderner Sensortechnologie.
Der Schlüssel zum Erfolg: Informationsaustausch
Die Logistik ist hin und wieder nur mit kurzem Vorlauf planbar: Unwetter oder schlechte Sicht durch Nebel können genauso zu Verzögerungen führen wie ein niedriger Rheinpegel. Auch Wartungen an den Hochöfen senken vorübergehend den Materialbedarf. Die Folge: kurzfristige Änderungen im Leichterverkehr. „Es gibt Störfaktoren, die wir beachten müssen“, verdeutlicht Christoph Pohl von der Umschlag- und Lagerlogistik und zuständig für den Rohstoffumschlag in den Werkhäfen. „Die lassen sich alle meistern – aber damit das gelingt, müssen wir vor allem die notwendigen Informationen flexibel und schnell austauschen.“ Komplex wird es dabei, weil viele Gewerke beteiligt sind und über Änderungen informiert werden müssen: von der Hafendisposition bis zum Hochofen, von den Schiffern bis zu den Kranführern in den Werkhäfen, von Rotterdam bis Duisburg. Damit es reibungslos läuft, muss viel kommuniziert werden. „Unser Ziel war daher eine smarte digitale Lösung, mit der alle Prozesspartner Zugriff auf ein Live-Abbild der Lieferkette erhalten“, erklärt Walter Scheider von der thyssenkrupp Steel Umschlag- und Lagerlogistik. „Das reduziert den Abstimmungsaufwand und ermöglicht es, die Prozesse besser zu koordinieren.“
Stets alles im Blick
Die wichtigsten Arbeitsgeräte, um die mehr als 100 Leichter und diverse Schubboote entlang des Rheins sowie in den Häfen zu koordinieren: eine Menge Betriebsdaten, Kameras und viele Telefone. Das wollten die Logistiker vereinfachen und suchten gemeinsam mit der IT, der Umschlag- und Lagerlogistik sowie der Rohstoffkoordination nach einer Lösung, wie alle Beteiligten stets den Überblick behalten. In der Folge ist nun jeder Leichter IoT-fähig („Internet of things“) und mit einem solarbetriebenen GPS-Sensor ausgestattet. Die GPS-Daten werden mit Informationen zu den jeweiligen Aufträgen und Ladungen zusammengeführt. Das Ergebnis ist eine digitale Landkarte, auf der alle Beteiligten jeden einzelnen Leichter zu jeder Zeit im Blick behalten können – inklusive Informationen zur Tonnage, dem geladenen Rohstoff und mittels künstlicher Intelligenz berechneter Ankunftszeit im Zielhafen. In der Folge können Zeit und Kosten gespart werden – zum Beispiel, indem Schiffsführer auf dem Weg nach Duisburg ein Signal erhalten und einfach langsamer und spritsparender fahren, wenn ohnehin absehbar ist, dass sie sonst vor dem Werkhafen auf Einfahrt warten müssten.
„Durch die Live-Verfolgung können wir deutlich besser im Voraus planen“, erklärt Christoph Pohl. „Gleichzeitig helfen uns die gesammelten Daten bei der Auswertung und Optimierung der Prozesse: Wir können etwa sehr genau verfolgen, bei welchen Leichtern es wo und wann zu Wartezeiten kommt und dann auf Spurensuche gehen, um diese zu verringern.“
Digitale Innovation schnell umgesetzt
Aber wie kam man von der innovativen Idee zur fertigen App? Hier wurde ein innovativer Ansatz gewählt: ein interdisziplinäres Expertenteam erarbeitete innerhalb von nur drei Wochen einen Prototyp der App, der in einem Feldversuch mit sechs Schubleichtern getestet wurde. Neben der technischen Machbarkeit ließen sich dabei kurzerhand auch die Nutzbarkeit im laufenden Betrieb beweisen und weitere Erkenntnisse sammeln. „Das neue Arbeitsformat war die Basis dafür, dass wir die innovative Idee des Trackings der Schubleichter in einem experimentellen Umfeld ausprobieren und so schnell Ergebnisse erzielen konnten“, so Tim Rupp vom Bereich Digitale Innovation.
Gleichzeitig hat das Team noch eine für das Unternehmen spezifische, cloud-basierte Plattform errichtet, auf deren Grundlage sich künftige weitere Tracking-Anwendungen umsetzen lassen. Die neue App startet in diesen Tagen in eine Testphase mit Beteiligten aus allen involvierten Bereichen. Ein erster Roll-Out in der Breite ist für das kommende Geschäftsjahr geplant.
Weiterer Schritt auf dem Weg zur digitalisierten Logistik
Das Tracking soll langfristig als Basis für weitere Optimierungen und Automatisierungen dienen. Denkbar wären etwa Auswertungen zum optimalen Hafenfüllgrad, die Integration von prognostizierten Wasserstandsdaten oder das Einbeziehen externer Schiffe, um anfallende Liegegebühren zu reduzieren. Das Tracking der Leichter ist dabei ein weiteres Puzzlestück auf dem Weg zur digitalisierten Logistik, die thyssenkrupp Steel im Rahmen der Digitalisierungsstrategie verfolgt.
Quelle und Foto: thyssenkrupp Steel Europe AG