Wie internationale Konzerne den Industriestandort Deutschland retten können

von Dagmar Dieterle

In unserem Gespräch beantwortet der neue Geschäftsführer des Schwarzwälder Werkes Adrian Alecu Fragen zur Übernahme und zur Zukunft der deutschen Rohrindustrie.


marketSTEEL: Die Schwarzwälder Röhrenwerk GmbH ist Teil der Condesa Gruppe. Ende 2021 wurde diese von ArcelorMittal übernommen und ist damit Teil eines internationalen Großkonzerns. Wie kam es eigentlich zu der Übernahme?

ArcelorMittal kennt man auf dem europäischen Markt vor allem aus dem Flach- und Langstahlbereich. Weniger bekannt ist, dass ArcelorMittal auch unter den bedeutenden europäischen Herstellern von Stahlrohren ist. Genau diesen Markt wollte ArcelorMittal ausbauen – die Übernahme der Condesa-Gruppe war Teil des Expansionsplans. Damit hat sich der Bereich ArcelorMittal Tubular Products zur Nr. 3 in Europa entwickelt.

marketSTEEL: Geht das Schwarzwälder Röhrenwerk dann nicht im Weltkonzern unter?

Im Gegenteil. ArcelorMittal hat die Tradition unseres Werkes und seine Marktstellung fest im Blick. Das freut uns natürlich ganz besonders. ArcelorMittal wird den Namen SRW Schwarzwälder Röhrenwerk als eingetragenen Markennamen weiterführen. Die Produkte von SRW haben sich im Laufe der Jahrzehnte auf dem Markt als qualitativ sehr hochwertig etabliert. Diese Qualitätsführerschaft spiegelt sich in der häufigen Aussage unserer Kunden wider: „Wenn es gut sein muss, kaufe ich Schwarzwälder.“ Diesen Markenkern will ArcelorMittal sogar weiter stärken und bewerben.

marketSTEEL: Röhrenwerke gab es viele in Deutschland, doch der Markt durchläuft bis heute eine deutliche Konsolidierung. Viele eigenständige Unternehmen mussten aufgeben oder sind in Konkurs gegangen. Was ändert sich unter dem Dach eines globalen Konzerns?

Da ist zunächst einmal die Sicherheit bei der Belieferung mit Vormaterial. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine nie dagewesene Volatilität des Marktes erlebt, was Preise und Liefermengen betrifft. Kleine Betriebe sind häufig nicht in der Lage, derartige Situationen zu meistern. Es fehlen häufig der finanzielle Rückhalt und die Kreditwürdigkeit, um in einem solchen Markt zu überleben. Als Teil einer Gruppe wie ArcelorMittal stellen sich diese Fragen nicht.

Zusätzlich profitiert SRW von den Synergien mit den anderen Werken der Gruppe, die Stahlrohre herstellen. Sei es in den Bereichen Arbeitssicherheit, Einkauf, Produktionsprozesse, Vertrieb - in allen Bereichen können wir jetzt zusätzlich auf im Konzern bestehendes Knowhow und Ressourcen zurückgreifen. Wir können zum Beispiel auf eine ganze Reihe von Best Practices aus den ArcelorMittal-Standorten zurückgreifen und damit etwa die Arbeitssicherheit in unserem Werk noch weiter steigern.

Nicht zu vergessen ist der Aspekt der Forschung und Entwicklung. Gerade SRW als Hersteller eines qualitativ sehr hochwertigen Produktes kann nicht nur von neu entwickelten Stahlgüten für seine Produktentwicklung profitieren, sondern seinen Kunden auch ein schlüssiges Konzept in Bezug auf CO2-Reduktion und grünem Stahl anbieten.

marketSTEEL: Hätten die Schwarzwälder Röhrenwerke nicht auch alleine überlebt?

Die ESW-Röhrenwerke GmbH aus Eschweiler hat es im April 2020 getroffen, das Düsseldorfer Werk von Vallourec war schon im Februar des selben Jahres dran. Oder denken Sie an die Rudolf Flender Rohr GmbH – das war ein direkter Konkurrent von uns, und Ende 2020 war es für das Werk in Siegen vorbei. Die deutsche Röhrenindustrie wird immer kleiner – leider. Auch für die SRW sah es in den letzten Jahren gar nicht gut aus: Die Condesa Gruppe und somit auch unser Werk haben eine sehr schwierige Zeit hinter sich gebracht. Seit 2013 hatten die finanziellen Schwierigkeiten der Gruppe derart zugenommen, dass bereits 2017 ein Teil der Gruppe in Frankreich durch ArcelorMittal vor dem Konkurs gerettet werden musste. Wäre ArcelorMittal nicht entschlossen gewesen, das Unternehmen zu retten und mit einem Umstrukturierungsplan wieder auf einen guten Kurs zu bringen, wäre die Zukunft von SRW sehr ungewiss gewesen.

marketSTEEL: Welche längerfristigen Perspektiven bieten sich für Sie und Ihre KundInnen mit der Übernahme?

Sich plötzlich einem so großen Lieferanten gegenüber zu sehen, mag für einige Kunden etwas ungewöhnlich sein. In der Tat bedeutet jedoch die Zugehörigkeit von SRW zu ArcelorMittal die langfristige Sicherung von SRW als einem Lieferanten, auf den unsere Kunden seit Jahrzehnten zählen. Viele von ihnen haben Ihre Produktion auf die Qualität des SRW-Rohres ausgerichtet und konnten auf Grund dessen Ihre eigenen Produkte wie Büromöbel, Ladeneinrichtungen und Sportgeräte im Hochpreissegment anbieten. SRW als Teil von ArcelorMittal kann diese Strategie jetzt in eine sichere Zukunft begleiten.

marketSTEEL: Das heißt, es hat sich nichts geändert?

Doch, natürlich. Unsere Kunden erhalten ein deutliches Plus an Sicherheit. Und auch für uns bei SRW ändert sich mit der Übernahme eine ganze Menge. Die Belieferung mit Vormaterial ist gesichert, Pläne für Wachstum und Investitionen werden ausgearbeitet und auch unsere Mitarbeitenden können sich darauf verlassen, dass SRW in eine solide Zukunft sieht. Gerade nach den turbulenten letzten Jahren schaffen Sicherheiten in Bereichen wie etwa der Lieferketten neues Vertrauen vonseiten unserer Kunden.

Welche Perspektiven sehen Sie?

ArcelorMittal hat Pläne für Investitionen in Modernisierung, Arbeitssicherheit und Digitalisierung. Wir konnten zum Beispiel gerade mit der Planung einer neuen Rohrschneidanlage beginnen, weil wir jetzt einen gesicherten Investitionsplan haben. Anders als die bereits erwähnten deutschen Rohrwerke, die ihre Tätigkeit einstellen mussten, soll SRW ein fester Bestandteil der deutschen Industrie bleiben und in den kommenden Jahren kräftig wachsen.

Ganz aktuell erleben wir ja, mit welchen Herausforderungen die deutsche Industrie durch die zunehmende Auslagerung der Produktion und durch komplizierte Lieferketten aus weit entfernten Ländern zu kämpfen hat. Alle sind sich einig, dass „Made in Germany“ in diesem Zusammenhang eine extrem wichtige Rolle spielt. Wir halten die Produktion nicht nur hier, wir bauen sogar aus und haben konkrete Wachstumspläne:. Für 2022 planen wir eine Produktionssteigerung um circa 15 Prozent. Deshalb suchen wir aktuell auch Verstärkung für unser Team hier in Altensteig. Gerade haben wir zum Beispiel zwei neue Kollegen in der Produktion und einen Ingenieur im Bereich Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) eingestellt. Auch im Vertrieb haben wir ein bisschen ausgebaut – und einige neue Posten sind noch in Planung. Dass wir Teil von ArcelorMittal geworden sind, ist also ein klares Bekenntnis zu unseren Kunden, unseren Produkten und zum Standort mit unseren Mitarbeitenden.

Zu SRW Schwarzwälder Röhrenwerke

Die SRW Schwarzwälder Röhrenwerke in Altensteig stehen für Tradition und Qualität bei der Herstellung von Stahlrohren. 1954 gegründet hat sich das Unternehmen, das heute 60 Mitarbeitende beschäftigt, als Hersteller im Hochqualitätsbereich über die Jahre einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Im November 2021 hat ArcelorMittal, größter Stahlhersteller der Welt, das Werk zusammen mit der spanischen Muttergesellschaft Condesa, zu dem SRW seit der Gründung der Gruppe im Jahr 1960 gehört, übernommen. Die Tradition des Standortes wird unter neuer Flagge fortgeführt: ArcelorMittal Tubular Products Altensteig.

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Fotos: ArcelorMittal

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