Wie die digitale Transformation den Wert eines Stahlwerks signifikant steigern kann

von Dagmar Dieterle

Interview mit Dr. Sebastian Kreft

 

marketSTEEL: Dr. Kreft, Sie haben Metalshub 2017 mitgegründet, mit der Vision, die digitale Transformation der Metallindustrie voranzutreiben. Wie weit sind Sie gekommen?

Während die Metallindustrie traditionell viel in die Automatisierung und Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse investiert, hinkt sie in Bezug auf die digitale Reife von Vertriebs-, Beschaffungs- und Verwaltungsprozessen vielen anderen Branchen hinterher.

In den letzten Jahren hat unser Team bei Metalshub mit Stahlwerken wie Outokumpu, Dillinger Hütte, Saarstahl, GMH Group, ArcelorMittal Brasil und Benteler an der Digitalisierung ihrer Lieferkettenprozesse gearbeitet. Wenn ein Stahlwerk beschließt, die Segel für die digitale Transformation zu setzen, geht es nicht darum, um der Digitalisierung Willen digitaler zu werden. Das Ziel ist es, die Rentabilität, die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette und die Compliance zu verbessern und letztlich den Wert des Unternehmens zu steigern. In allen Fällen gab es eindeutig messbare Ergebnisse. Innerhalb weniger Monate nach der Implementierung haben diese Stahlwerke erhebliche Einsparungen mit einem Return on Investment von mehr als dem 10-fachen erzielt.

Neben der Senkung der Prozess- und direkten Beschaffungskosten haben die Unternehmen die Robustheit ihrer Arbeitsabläufe verbessert und schneiden nun bei internen Compliance-Audits deutlich besser ab. Ihre Digitalisierungsreise ist erfolgreich angelaufen, und diese Unternehmen bauen ihre "digitalen Muskeln" weiter aus.

 

marketSTEEL: Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren bei digitalen Transformationen, an denen Sie beteiligt waren?

Zunächst einmal müssen Unternehmen eine klare, von oben nach unten ausgerichtete Roadmap haben, um den Wert digitaler Initiativen zu bemessen. Unser Ansatz besteht darin, gemeinsam mit unseren Kunden Workshops durchzuführen, um Schmerzpunkte zu identifizieren und einen soliden Business Case zu erstellen.

Zweitens ist es wichtig, sich auf Funktionen und Bereiche zu konzentrieren, die groß genug sind, um einen erheblichen Wert zu schaffen. Die Beschaffung von Rohstoffen ist ein solcher Bereich, denn sie macht 50-60 % der Gesamtkosten eines Stahlwerks aus. Es ist viel besser, sich auf einen Bereich zu konzentrieren und die Ressourcen zu bündeln, als sich zu verzetteln und von allem ein bisschen zu machen.

Drittens: Metriken sind wichtig! Es ist wichtig, den Fortschritt der digitalen Initiativen zu messen und zu verwalten. Dazu gehören finanzielle Messgrößen wie Zeit- und Kosteneinsparungen, aber auch weiche Messgrößen wie die Umsetzungsgeschwindigkeit, z. B. wie viele Mitarbeiter in der Organisation die neuen Technologien bei ihrer täglichen Arbeit nutzen. Erstellen Sie einen soliden Business Case und messen Sie den Fortschritt, sobald Sie Ihren Plan umgesetzt haben.

 

marketSTEEL: Wie sieht das ideale Organisationsmodell für die Schaffung von Mehrwert durch eine digitale Transformation aus?

Zu Beginn der Reise muss der CEO das gesamte Führungsteam auf eine Seite bringen. Die Prioritäten, der Talentplan und der Technologieplan müssen aufeinander abgestimmt werden. Der Fortschritt der digitalen Transformation sollte ein ständiger Punkt auf der Tagesordnung der Sitzungen des Top-Managements werden.

Außerdem muss es eine Führungspersönlichkeit geben, die die Verantwortung für die digitalen Initiativen trägt und für das Ergebnis verantwortlich ist. Ich habe miterlebt, wie sich die Einkaufsleiter für die Einführung der Metalshub-Lösung eingesetzt haben. Die erfolgreiche Wertschöpfung hat ihnen neue Karrierewege eröffnet und sie mit Fähigkeiten ausgestattet, die überall im Unternehmen sehr gefragt sind.

 

marketSTEEL: Was waren die größten Herausforderungen bei den digitalen Transformationen, an denen Sie mitgewirkt haben?

Bei den digitalen Transformationen, an denen ich beteiligt war, stießen die Teams manchmal auf passiven Widerstand seitens der Betreiber, was die Einführung verlangsamte. Das ist normal, denn Veränderungen sind schwierig! Vor allem in der Metallindustrie sind viele Mitarbeiter schon seit langem in ihren derzeitigen Positionen tätig, und es gibt eine natürliche Neigung, den Status quo zu erhalten.

Das Führungsteam muss sich von Anfang an mit der Herausforderung der Einführung auseinandersetzen. Erstens ist eine Unternehmenskultur, die offen für Veränderungen ist, Voraussetzung für eine rasche Einführung. Die Mitarbeiter müssen verstehen, warum der Wandel notwendig ist. Zweitens müssen die Mitarbeiter die erforderlichen Schulungen erhalten, um sie auf neue Instrumente, Aufgaben und Arbeitsweisen vorzubereiten. Und schließlich sollte für jeden Euro, der für die Entwicklung neuer Lösungen ausgegeben wird, ein Euro für die Sicherstellung der Akzeptanz während der Implementierungsphase aufgewendet werden.

 

marketSTEEL: Was halten Sie von der Frage "entwickeln oder kaufen" bei digitalen Technologien?

 Der Aufbau einer eigenen Softwarelösung ist nur dann sinnvoll, wenn man einen Wettbewerbsvorteil dadurch erlangt, dass man das geistige Eigentum der Lösung im Haus behält. Das ist in der Regel bei Fertigungsprozessen der Fall, bei denen die Technologie einen Vorteil gegenüber dem Mitbewerber verschafft. Bei der Digitalisierung der Lieferkette, des Vertriebsmodells oder anderer nicht fertigungsbezogener Prozesse besteht jedoch keine Notwendigkeit, das geistige Eigentum zu schützen. Es ist viel kosteneffizienter, sich nach spezialisierten Lösungsanbietern in diesem Segment umzusehen. Meiner Meinung nach müssen die Stahlwerke starke Partnerschaften mit Technologieunternehmen eingehen und ein Ökosystem von Partnern aufbauen. Die Kernkompetenzen der Stahlwerke lagen in der Vergangenheit nicht im Bereich der Softwareentwicklung. Außerdem ist es für Stahlwerke eine Herausforderung, Top-Talente im technischen Bereich zu rekrutieren und zu halten. Und schließlich ist die Zeit bis zur Wertschöpfung bei der Auswahl der richtigen Partner mit fundierten Branchenkenntnissen sehr viel kürzer als bei der internen Entwicklung einer Lösung.

 

Über Metalshub

Metalshub ist einer der Pioniere der digitalen Transformation in der Metallindustrie. Das Software Start-up wurde 2016 in Düsseldorf von Dr. Sebastian Kreft und Dr. Frank Jackel mit der Vision gegründet, die Unternehmen der Industrie mit einer digitalen Plattform zu verbinden. Digitale Supply Chains können dazu beitragen Kosten und CO2 Emissionen zu senken. Mehr als 1,000 Unternehmen nutzen bereits Metalshub, darunter mehr als 200 Gießereien und Stahlwerke, die Ihre Einkaufprozesse mit Metalshub digitalisiert haben. Im Jahr 2020 wurden über 300 Millionen Dollar Einkaufsvolumen über die Metalshub abgewickelt.

Mehr Informationen unter www.metals-hub.com

Bilder: metalshub

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