Wasserstoff ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen und deutschen Energiewende

von Dagmar Dieterle

Interview marketSTEEL mit Sven Renelt, Partner bei PSvdL Consulting GmbH

marketSTEEL: Wie blicken Sie aktuell auf Wasserstoff im Rahmen der Energiewende? Welche Rolle spielt dabei die Stahlbranche?

Wasserstoff ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen und deutschen Energiewende. Der kürzlich erschienene EU-Report zur zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit Europas unterstreicht diesen Umstand und identifiziert vier akute Handlungsfelder: Die Erhöhung des Angebots, der Aufbau der Infrastruktur, die Ausgestaltung der Regulatorik und Finanzierung sowie die Zusammenarbeit unter den Marktteilnehmenden.

Dieses Bild deckt sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen unserer branchenübergreifenden Studie für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf in Deutschland, die wir im zweiten Quartal dieses Jahres in einer überarbeiteten Fassung veröffentlicht haben. Ein wesentliches Kriterium sollte in der Aufzählung des EU-Reports jedoch ergänzt werden, nämlich die Entwicklung hin zu einem wettbewerbsfähigen Preis für Wasserstoff. Diesem wurde von allen acht an unserer Studie beteiligten Branchen die höchste Relevanz für einen erfolgreichen Hochlauf zugesprochen.

Als wesentlichen Treiber erleben wir aktuell den Infrastrukturausbau. Der Aufbau des Wasserstoffkernnetzes ist ein elementares Signal an alle Marktteilnehmenden für die nächsten Schritte im Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. In Deutschland steht der H2-Kernnetzantrag kurz vor der Verabschiedung und auch der Rahmen für die Finanzierung steht. Somit kann der Neu- und Umbau der Leitungen beginnen. Das nimmt auch unsere Schwestergesellschaft PSvdL Engineering verstärkt wahr, die die technische Umsetzung der Infrastrukturprojekte begleitet.

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass ein Wasserstoffnetz allein erst einmal niemandem hilft. Die Pipelines müssen auch genutzt werden, wofür es insbesondere zu Beginn Unternehmen braucht, die große Wasserstoffmengen langfristig abnehmen. An dieser Stelle kommt der Stahlbranche eine zentrale Bedeutung zu, da sie einen wesentlichen Absatzmarkt für Wasserstoff darstellt. Prognosen zufolge wird die Stahlindustrie etwa ein Drittel des gesamten deutschen Wasserstoffbedarfs ausmachen. Durch Wasserstoffausschreibungen der großen Stahlunternehmen erhalten zudem die Elektrolyseur-Betreiber Planungssicherheit, die sie für die Investitionen in den Auf- und Ausbau der Wasserstofferzeugung benötigen. Das gilt sowohl für die in Deutschland als auch für die im Ausland ansässigen Erzeuger. Denn Deutschland wird gemäß aktueller Annahmen 50-70% des emissionsarmen Wasserstoffbedarfs importieren müssen.

marketSTEEL: Sie haben es gerade schon angesprochen, Deutschland ist auf H2-Importe angewiesen. Woher sollen die Mengen an emissionsarmem Wasserstoff kommen?

Wir haben über 40 aktuelle Studien ausgewertet und dabei folgende Erkenntnisse gewinnen können. Der Bedarf an emissionsarmem Wasserstoff in Deutschland wird voraussichtlich bis 2050 auf rund 420 TWh pro Jahr ansteigen. Davon wird, wie bereits erwähnt, der Großteil importiert werden müssen.

Die Bundesregierung strebt mit der Wasserstoffimportstrategie eine Diversifizierung der Importwege an. Wasserstoff soll zukünftig sowohl gasförmig über Pipelines als auch verflüssigt oder in Form von Wasserstoffderivaten per Schiff importiert werden. Für den gasförmigen Transport wird derzeit ein europäisches Pipelinenetz geplant, über das ab 2030 zunächst Wasserstoff aus Dänemark, dann aus Norwegen und Südwesteuropa (v.a. Spanien & Marokko) und schließlich auch aus Südeuropa (v.a. Italien & Tunesien) und Osteuropa (v.a. Ukraine & Griechenland) transportiert werden soll.

Halten diese Importländer ihre Elektrolyseziele ein, kann der deutsche Importbedarf gedeckt werden. Gleichzeitig bleibt die inländische Produktion und deren Förderung, auch vor dem Hintergrund einer möglichst geringen Abhängigkeit Deutschlands von Wasserstoffimporten, essenziell.

 

marketSTEEL: Neben der Frage nach dem Wasserstoffangebot haben Sie einen wettbewerbsfähigen Wasserstoffpreis als wesentlichen Faktor für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf angesprochen. Haben Sie sich vor diesem Hintergrund auch mit dem zukünftigen Preisniveau befasst?

Wie eingangs erwähnt, sind die Kosten der entscheidende Faktor für die Nutzung von Wasserstoff, weshalb wir diese noch einmal gesondert im Zeitverlauf und im Abgleich mit den absehbaren Importwegen betrachtet haben. Unsere Analyse zeigt, dass aus aktueller Sicht die inländischen Produktionskosten für grünen Wasserstoff und die durchschnittlichen Kosten für Pipelineimporte im Jahr 2030 mit ca. 125 €/MWh auf gleichem Niveau liegen werden. Bis 2050 sollen die Importkosten via Pipeline um ca. 50% fallen und dann leicht unter den ebenfalls sinkenden inländischen Produktionskosten liegen. Es zeigt sich auch, dass die globalen Schiffsimporte im Jahr 2050 mit durchschnittlich ca. 136 €/MWh die teuerste Option darstellen würden.

Gemäß der aktuellen Studienlage lägen die Preise selbst im Jahr 2050 weiterhin deutlich über den aktuellen Preisen für Erdgas (Stand Oktober 2024: 35 €/MWh). Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass sich neue Technologien und Märkte in der Vergangenheit in vielen Fällen anders entwickelt haben, als es in den Langfristprognosen angenommen wurde, und diese Entwicklungen teils erhebliche Auswirkungen auf die Preise hatten. Gleichzeitig haben die europäischen und deutschen Gesetzgeber und Regulierer bereits in anderen Märkten Kreativität bewiesen, um für politisch gewollte Technologien wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist daher auch im Fall von Wasserstoff davon auszugehen, dass wir weitere Förderelemente sehen werden, über die der Bezug von Wasserstoff zu darstellbaren Kosten ermöglicht wird.

 

 

PSvdL Consulting GmbH

PSvdL Consulting ist eine führende Unternehmensberatung mit Spezialisierung auf die Energiewirtschaft und verfügt über mehr als 17 Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Die Beratung deckt sämtliche branchenspezifischen Themen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ab und unterstützt Energieversorger, Netz- und Speicherbetreiber sowie Industrieunternehmen, die sich mit energiewirtschaftlichen Fragestellungen konfrontiert sehen.

Ein Schwerpunkt von PSvdL Consulting liegt auf der strategischen Auseinandersetzung mit energiewirtschaftlichen Fragestellungen im Bereich Wasserstoff. Die Schwestergesellschaft PSvdL Engineering ergänzt dieses Angebot, indem sie die technischen Aspekte der Wasserstofftransformation im Rahmen von Transformationsplanungen für die Dekarbonisierung abdeckt. Gemeinsam bieten beide Unternehmen umfassende Lösungen für die Herausforderungen der Energiewende.

Hier geht es zu der erwähnten Studie: Eine branchenübergreifende Sicht auf den Wasserstoffhochlauf in Deutschland - PSvdL Consulting (psvdl-consulting.com)

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