Was ist Giga- bzw. Mega-Casting?

von Dagmar Dieterle

Gastkommentar von Dr.-Ing. Michael Hamacher, Vehicle Concepts, Body & Interior, fka GmbH.

Herr Dr. Hamacher ist seit 2007 in verschiedenen Rollen bei der fka GmbH tätig. Neben aktuellen und zukünftigen Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit liegt ein Fokus seiner Arbeit auf dem Bereich Technologieberatung. Dies umfasst sowohl Trendanalysen und Technologiebewertungen als auch die Entwicklung neuer Konzepte. Zudem untersucht er die Auswirkungen neuer Fertigungstechnologien, Fahrzeug-/Innenraumkonzepte und Sicherheitsanforderungen auf das Fahrzeugdesign sowie die Karosserieauslegung und -produktion.

 

Was ist Giga- bzw. Mega-Casting?

Beim Mega-Casting, welches seitens des Fahrzeugherstellers Tesla als Giga-Casting bezeichnet wird, handelt es sich um einen Druckgussprozess in einer in Bezug auf Schließ­kraft und Maschinendimensionen deutlich gesteigerten Größen­ordnung, der durch Tesla initiiert und im Jahre 2020 zusammen mit dem italie­ni­schen Druckguss­ma­schinen­hersteller IDRA erstmals implementiert wurde. Vor der Einführung von Mega-Casting wiesen Druck­gussmaschinen eine Schließkraft von bis zu 44.000 kN (ca. 4.500 t) auf, was die Herstellung von kleineren Struktur­guss­teilen, wie z.B. Feder­bein­dome, mit maximal zwei Kavitäten erlaubte. Durch die Erhöhung der Schließkraft auf 60.000 kN (ca. 6.100 t) entwickelte IDRA eine Maschine, die in der Lage ist, einen Mehrkavitäten-Druckguss mit bis zu vier Feder­bein­domen in einem Schuss durch­zu­führen oder ein sehr großes Bauteil, wie einen kompletten hinteren bzw. vorderen Fahr­zeug­unterboden, einteilig herzustellen. Entsprechend gewaltig sind die Maschinen­dimen­sionen, welche in der Länge über 19 m, in der Breite über 6 m und in der Höhe über 5 m be­tragen, bei einem Gewicht von über 400 t. Mittlerweile werden vor allem in China immer größere Maschinen von verschiedensten Her­stellern angeboten, sodass bereits eine Aus­führung mit einer Schließkraft von 16.000 t (ca. 157.000 kN) in Betrieb ist, während eine 20.000 t Maschine schon angekündigt wurde. Letztere würde bspw. die Produktion eines kom­plet­ten einteiligen Unterbodens inkl. Batteriekasten für ein kleines Elektro­fahrzeug erlauben.

Welche Vorteile bietet Mega-Casting?

Der wesentliche Vorteil beim Mega-Casting liegt in der hohen Funktions- bzw. Teileintegration. Angestrebt werden Reduktionsverhältnisse von bis zu 100:1. Dies geht einher mit einer Ver­ringerung der Fertigungskomplexität und der damit verbundenen Logistik. Entscheidende Faktoren sind dabei auch die Reduzierung der Produktionszeit sowie eine höhere Design- und Produktionsflexibilität. So sind bspw. spezifische Bauteile innerhalb der gleichen Fahr­zeug­plattform möglich. Auch zeigt Tesla bereits, dass sich die Fahrzeugmontage durch große Struk­turkomponenten optimieren lässt, indem verschiedene Einzelbereiche / Baugruppen des Fahr­zeugs parallel gefertigt, ggf. lackiert und ebenfalls parallel (vor-)montiert werden. Leichtbau ist bei der Implementierung von Mega-Casting dagegen nicht der treibende Faktor, da es mit minimal 2 bis 3 mm deutlich höhere Dicken im Vergleich zur Blechschalenbauweise erfordert und somit gegenüber Multimaterialbauweisen hier in der Regel keine Vorteile bietet. Zudem wird das Thema Reparaturfähigkeit großer integrierter Gussteile derzeit kontrovers diskutiert.

Welchen Einfluss hat Mega-Casting auf den Stahleinsatz in der Fahrzeugkarosserie?

Je nach OEM und Fahrzeugsegment hat Mega-Casting das Potential, eine signifikante Anzahl an Blechbauteilen zu substituieren, was in vielen Fällen entsprechend auch den Einsatz von Stahl reduzieren würde, zumal gegenüber reinen Stahlbauweisen ein Leichtbauvorteil besteht. Hier muss die Zukunft zeigen, wie groß die Substitutionsgefahr, auch in Bezug auf niedrigere Fahrzeugklassen, tatsächlich zu bewerten ist. Die Implementierung von Mega-Casting geht zwar mit hohen Investitionskosten einher und bedingt eine separate Gebäude­infrastruktur. Doch wenn diese Infrastruktur einmal geschaffen wurde, beschränken sich die Investitions­kosten für nachfolgende Fahrzeuggenerationen in erster Linie auf die ent­sprechenden Guss­werk­zeuge. Daher wird mit jedem OEM, der Mega-Casting in seiner Fertigung implementiert, der Stahleinsatz in den entsprechenden Modellreihen perspektivisch abnehmen. Hier muss die Stahlindustrie Lösungen finden, die eine ähnlich hohe Funktions­integration bzw. die damit verbundene Effizienzsteigerung in Bezug auf Produktion und Kosten ermöglichen.

 

Die fka ist seit mehr als 40 Jahren ein innovativer Forschungs- und Entwicklungsdienstleister der Mobilitätsindustrie mit der Mission, Ideen zu generieren, umzusetzen und erlebbar zu machen. Sie bietet strategische Beratung rund um das Kraftfahrzeug und setzt sich dabei intensiv mit der Mobilität von morgen auseinander.

Foto: fka, fotolia

Zurück