Rohstoffe und Stahlmarkt China: Höhere Preise nur ein Strohfeuer?
von Dagmar Dieterle
Bei den für die Stahlerzeugung wichtigen Rohstoffen und am chinesischen Stahlmarkt ist es im März zu unerwartet heftigen Preisausschlägen nach oben gekommen. Als Folge davon sind die Preise von international gehandelten Stahlerzeugnissen und Halbzeugen in den vergangenen Wochen teilweise kräftig gestiegen. Erste Ausläufer dieser Entwicklung sind auch am hiesigen Markt zu spüren. Erleben wir damit eine Trendwende oder handelt es sich nur um ein Strohfeuer?
Für Schlagzeilen sorgte am 7. März der Anstieg des Referenzpreises für Eisenerz um fast 20 Prozent innerhalb eines einzigen Tages. Auch wenn der damit kurzfristig erreichte Preis von fast 64 US-Dollar je Tonne nicht gehalten werden konnte, hat sich ein gegenüber den Vormonaten deutlich erhöhtes Preisniveau eingestellt. Im März-Mittel ist ein Anstieg um mehr als 20 Prozent gegenüber Februar und um mehr als 40 Prozent gegenüber Dezember 2015 zu erwarten. Auch wenn das zuvor erreichte niedrige Ausgangsniveau zu bedenken ist, sind diese Zuwachsraten doch beträchtlich.
Analysten nennen verschiedene Gründe für die gestiegenen Preise. So seien wetterbedingt die Erz-Ausfuhren der wichtigsten Lieferländer Brasilien und Australien am Jahresanfang gesunken, während die Nachfrage chinesischer Stahlhersteller gestiegen sei. Dies zum einen aufgrund von Lagereffekten, aber auch weil die Stahlnachfrage des Landes im April traditionell ihren saisonalen Höhepunkt erreiche. Zudem habe sich durch die von der Regierung mehrmals bekräftigten Pläne zum Kapazitätsabbau und durch die Ankündigung von umfangreichen Produktionsdrosselungen im Rahmen einer internationalen Blumenschau in Nordchina die Stimmung am chinesischen Stahlmarkt spürbar aufgehellt.
Nicht nur die Eisenerzpreise sind zuletzt gestiegen. Auch die internationalen Schrottpreise zeigen seit einigen Wochen einen klaren Aufwärtstrend. So sind die europäischen Exportpreise für Altschrott seit Anfang Februar um ca. 30 Prozent oder 50 US-Dollar je Tonne gestiegen. Auch die Preise für Kokskohle sind zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder etwas angestiegen.
Es ist schwer zu beurteilen, ob höhere Rohstoffpreise die Stahlpreise in China nach oben getrieben oder ob umgekehrt höhere Stahlpreise erst die höheren Rohstoffpreise ermöglicht haben. Jedenfalls haben am chinesischen Inlandsmarkt die Stahlpreise seit Anfang Februar um ca. 20 Prozent zugelegt. Die Exportofferten chinesischer und in der Folge auch russischer Anbieter für das Referenzprodukt Warmbreitband sind in den vergangenen Wochen um ca. 60 bis 100 US-Dollar je Tonne angehoben worden und haben ein Neun-Monats-Hoch erreicht. Viele Halbzeug-Notierungen sind in ähnlicher Größenordnung gestiegen. Allerdings setzen sich die höheren Offerten nur zögernd in tatsächliche Abschlüsse um, da viele Käufer von der Dauerhaftigkeit des Anstiegs nicht überzeugt sind.
In der Tat erscheinen die beschriebenen Preisbewegungen deutlich mehr stimmungsgetrieben als dass sie durch Fakten gedeckt wären. Und es spricht einiges dafür, dass die Entwicklung am Eisenerzmarkt als Taktgeber sowohl für die übrigen Stahl-Rohstoffe als auch für den chinesischen Stahlmarkt fungiert. Der Anstieg der Rohstoff- und Stahlpreise am Weltmarkt scheint insgesamt auf wackligen Füßen zu stehen.
Alleine der Preissprung von 19 Prozent an einem Tag bei Eisenerz, aber auch die in der Folgezeit zu beobachtenden Preisausschläge in beide Richtungen zeigen, dass hier starke spekulative Kräfte am Werk sind. Die Fundamentalfaktoren am Eisenerzmarkt haben sich kaum geändert. Neues, kostengünstig gefördertes Erz kommt weiter auf den Markt, während die chinesische Stahlproduktion in den ersten beiden Monaten des Jahres um fast 6 Prozent niedriger als im Vorjahr lag. Aus fundamentaler Sicht ist das derzeitige Preisniveau, das oberhalb fast aller Prognosen liegt, nicht zu rechtfertigen. Selbst die führenden Minenbetreiber haben geäußert, dass die Preise wieder sinken werden. Und am bei Eisenerz stark wachsenden Futures-Markt liegen die aktuellen Spotpreise höher als die Preise für Lieferung im späteren Jahresverlauf.
Auch am chinesischen Stahlmarkt müssen sich die von manchen Marktteilnehmern antizipierten deutlichen Produktionsrücknahmen erst tatsächlich manifestieren, damit sich ein neues Marktgleichgewicht einstellen könnte. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass früher oder später ein Rückschlag erfolgen wird. Das Problem aus Sicht des Stahleinkaufs ist es, dass niemand sicher weiß, wann der Rückschlag kommt und wie stark er sein wird. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Eisnerzpreis die herrschenden Prognosen und die Fundamentaldaten über einen gewissen Zeitraum hinweg ignoriert. Dies liegt auch daran, dass in China eine enge Verknüpfung zu den Finanzmärkten gegeben ist, die auch über längere Zeit von spekulativen Motiven getragen werden können.
Je länger allerdings der jüngste Aufwärtstrend andauert, desto mehr könnte sich am Stahlmarkt die Einschätzung durchsetzen, dass es sich doch nicht um ein nur vorübergehendes Phänomen handelt. Damit wäre dann wahrscheinlich ein Bestellschub verbunden, der die Preise stärker nach oben treiben würde. Der Eintritt dieses Effekts kann nach den Entwicklungen der letzten Wochen nicht ganz ausgeschlossen werden.
Der Beitrag stammt vom Leverkusener Stahlmarkt-Berater Andreas Schneider, StahlmarktConsult. Foto: StahlmarktConsult
Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.