Reform der Leiharbeit und des Personaleinsatzes zum 01. April 2017
Der Gesetzgeber hat das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) mit Wirkung zum 1. April 2017 geändert. Ziel ist es, den tatsächlichen oder vermeintlichen Missbrauch des Einsatzes von Leiharbeit und Werkverträgen zu verhindern.
Die Leiharbeit wurde immer schon sehr kritisch beäugt. Schon mein Arbeitsrechtsprofessor an der Universität in Bonn in den 1980er Jahren bezeichnete den Verleiher abfällig als „den Mann auf dem Sofa…, der mit dem Telefon“. Zwischenzeitlich ist allerdings die Erkenntnis gereift, dass Leiharbeit einen wichtigen Beitrag, etwa bei der Abdeckung von Auftragsspitzen leistet. Wenn etwa ein Rohrhersteller bei einem großen Pipeline-Auftrag plötzlich im Dreischichtbetrieb produzieren muss, dann ist dies praktisch nur mit Hilfe von Leiharbeitnehmern möglich. Auch die IT-Betreuung ist ohne Mithilfe von Fremdpersonal (contractors) kaum denkbar.
Die Leiharbeitnehmer werden geschützt, indem die Arbeitnehmerüberlassung erlaubnispflichtig und eng reguliert ist. Ein wichtiges Schutzinstrument ist das Gleichbehandlungsgebot, wonach Leiharbeitnehmer – nach einer Übergangszeit – genauso bezahlt werden sollen, wie die Stammbelegschaft (equal pay-Grundsatz). Ein Dorn im Auge des Gesetzgebers waren vor allem Konstruktionen, wonach die Leiharbeit praktisch unbefristet zur Umgehung von Tarifstrukturen eingesetzt wurde und Fälle des missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes. Bei dem letztgenannten Punkt stehen vor allem Vertragskonstruktionen über Werk- oder Dienstverträge auf dem Prüfstand. Aus der Sicht des Gesetzgebers werden Arbeitnehmer, in Unternehmen mit denen sie keinen Arbeitsvertrag haben, vielfach missbräuchlich auf der Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen eingesetzt. Auf diese Weise, so der Gesetzgeber, könnten die aus dem AÜG fließenden Arbeitnehmerrechte kaum durchgesetzt werden.
Mit dem neuen Gesetz wird die Arbeitnehmerüberlassung neu definiert. Die Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn Arbeitgeber, als Verleiher Dritten (Entleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen. Eine solche Überlassung liegt dann vor, wenn die Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Damit soll die Abgrenzung zwischen Leiharbeit und dem Fremdpersonaleinsatz im Wege des Werk- bzw. Dienstvertrages gewährleistet sein.
Die im Jahr 2003 gestrichene Überlassungshöchstdauer für Leiharbeitnehmer wird mit dem neuen Gesetz wieder eingeführt. Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer demnach nicht länger als 18 grundsätzlich aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen. Bei einer Überschreitung dieser Zeitgrenze kann der Leiharbeitnehmer ein direktes Arbeitsverhältnis zum Entleiher reklamieren.
Eine weitere wichtige Neuregelung ist die Geltung von equal pay nach neun Monaten. Ausnahmen durch Tarifverträge sind möglich.
Eine weitere zentrale Regelung ist die neue Offenlegungs- und Informationspflicht gegenüber dem Entleiher sowie gegenüber dem Leiharbeitnehmer. Verleiher und Entleiher haben demnach die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. Das Vertragsverhältnis muss also „richtig etikettiert“ werden. Bisher war es so, dass bei einem „falsch etikettierten“ Werk- oder Dienstvertrag, der in Wirklichkeit eine Arbeitnehmerüberlassung ist, keine Sanktionen drohten, wenn der Entleiher eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hatte. Dies wurde als „Fallschirmlösung“ bezeichnet. Dem hat der Gesetzgeber nun einen Riegel vorgeschoben. Die „Falschetikettierung“ der Leiharbeit kann zu einem unmittelbaren Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer führen. Das Verbot der sogenannten Fallschirmlösung erfordert daher eine genaue Prüfung der Vertragsgestaltungen.
Ergänzt wird die Neuregelung durch hohe Bußgeldandrohungen (EUR 30.000,00 bis EUR 500.000,00). Außerdem ist mit scharfen Kontrollen der Behörden zu rechnen. Derzeit werden beim Zoll ca. 1.600 neue Stellen zur Überwachung u.a. des Gesetzes geschaffen.
Schließlich dürfen Leiharbeitnehmer nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden.
Durch die Neuregelung wird die ohnehin schon rechtlich sehr komplexe Materie Leiharbeit weiter verkompliziert. Dies führt in der Praxis zu einem extrem hohen Beratungsbedarf und großen Unsicherheiten und Risiken beim Fremdpersonaleinsatz. Die Neuregelung zielt zwar vom Namen her vermeintlich auf die Arbeitnehmerüberlassung, bezieht sich allerdings auf den gesamten Fremdpersonaleinsatz unter Einbeziehung von Dienst- und Werkverträgen. Der in unserer Wirtschaft dringend notwendige flexible Ressourceneinsatz wird damit erschwert. Vor allem die hauptsächlich in der Form von Werk- oder Dienstverträgen arbeitende Beratungsbranche kann schnell in ungewollte Leiharbeit geraten. Vor allem der langfristige Einsatz von Dienstleistern im Betrieb des Kunden kann damit zum Risikogeschäft werden. Dies betrifft damit eine Branche, in der hoch bezahlte Arbeitskräfte, die gerne flexibel arbeiten möchten und keinen „Missbrauchsschutz“ benötigen, in Schwierigkeiten kommen. Der Gesetzgeber hätte sich besser auf echte Missbrauchsfälle beschränken sollen, statt den redlichen Fremdpersonaleinsatz unter einen Generalverdacht zu stellen und in eine rechtliche Grauzone zu bugsieren.
Der Beitrag stammt von Dr. Jörg Podehl, Rechtsanwalt. Foto: Dr. Jörg Podehl
Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.
Information zum Autor:
MKRG ist eine renommierte Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf. Partner Dr. Jörg Podehl ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit 20 Jahren als Anwalt tätig. Er berät Unternehmen und Manager im Arbeits- und im Vertriebsrecht.