Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Erfüllung von neuen Standards

von Dagmar Dieterle

5 Fragen an Frank Koch, CEO der Swiss Steel Holding AG

 

marketSTEEL: Guten Tag sehr geehrter Herr Koch, sie sind nun fast 1 Jahr an der Spitze der Swiss Steel Group. Wie sind sie in der Schweiz angekommen und wie geht es jetzt für den Konzern weiter?

Ich wurde sehr freundlich und positiv in der Schweiz aufgenommen und die Aufgabe war klar und deutlich besprochen.

Durch die Energie- und geopolitischen Entwicklungen ist die Aufgabe nicht leichter geworden, in unserer strategischen Ausrichtung wird das aber nichts ändern. Wir werden konsequent unseren Weg gehen.

marketSTEEL: Wenn man sich die Ergebnisse der letzten Quartale anschaut, dann meint man doch, dass sie sehr gut mit der Situation und den Gegebenheiten im Konzern zurechtkommen?

Sie kennen die Ergebnisse des Jahres 2021 und des Q 1 im Jahr 2022 und meine Kommentare dazu. Dazu gibt es nicht viel mehr zu sagen. Die volatile Situation an den Rohstoff- und Energiemärkten ist täglich eine neue Herausforderunn und in Summe befinden wir uns in einem rückläufigen Markt, im April waren es immerhin 5%. Wenn Sie dabei noch bedenken, dass wir sowohl in Hagen als auch in Ugine nicht wirklich produzieren konnten, dann sind wir zwar noch nicht zufrieden, aber wir sind schrittweise auf dem richtigen Weg. Natürlich macht eine Schwalbe noch keinen Sommer und wir sind noch weit davon entfernt, diese Ergebnisse als nachhaltig bezeichnen zu können.

Tatsächlich beginnt aber jetzt die nach vorne gerichtete Arbeit erst richtig. Bisher haben wir nur die auffälligsten Schwachstellen in Vertrieb und Kostenstruktur angefasst.

Um den Konzern nun nachhaltig auf Erfolgskurs zu bringen, ist weit mehr erforderlich. Dazu später gerne mehr.

marketSTEEL: Ja gern, aber zum Stichwort Nachhaltigkeit. Hier gab es einige interessante Meldungen in den letzten Wochen aus ihrem Hause.

Ich bin ihnen dankbar, wenn ich einmal abgerundet unsere Haltung und Aktivitäten zu diesem Thema ausführen kann.
Nachhaltigkeit ist insbesondere für unsere Industrie nicht nur eine Frage der Erfüllung von neuen Standards und Vorgaben, sondern ganz speziell für mich eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir wahrzunehmen haben. In dieser Sache bin ich absoluter Überzeugungstäter.

marketSTEEL: Können sie uns das bitte etwas weitergehend und konkreter erläutern?

Na ja, als größter Stahlhersteller Europas auf der Lichtbogenofen-Route haben wir schon eine wesentlich bessere Ausgangsposition als die Hochofen-Route, was die CO2Emissionen angeht. Sind wir doch im Schnitt um 80% besser als die Hochofen-Route, aber das reicht uns natürlich nicht.

Unsere Anstrengungen gehen wesentlich weiter und unser Werk hier in der Schweiz ist dabei ein echter Vorreiter. Wie sie unseren letzten Meldungen entnehmen konnten, haben wir hier den Stromeinkauf komplett auf die regionale, wasserbasierte Ökovariante umstellen können, was zu einem weit unter dem üblichen Durchschnitt liegenden CO2Emissionswert führt. Die Abwärme geht in das örtliche Fernwärme-Netz und versorgt rund 800 Haushalte.

Nachhaltigkeit gehört zu den wesentlichen Teilen unserer neuen strategischen Ausrichtung. Unter anderem auch, weil Nachhaltigkeit keine Ineffizienzen duldet.

Als Ausdruck der Bedeutung dieses Themas haben wir in den letzten Tagen unser neues „Green Steel“ Logo lanciert.

Dies vor dem Hintergrund intensiver Aktivitäten, im Konzern schrittweise unsere Emissionen zu verbessern und unsere „Green Steel“ Aktivitäten über die Gruppe zu harmonisieren und zu bündeln. Da sind uns auch schon sehr gute erste Schritte gelungen. Und wir sprechen da nicht von Absichtserklärungen, sondern von Fakten.

  1. Unser Kunde wird mit seiner Rechnung zukünftig auch ein Zertifikat erhalten, das transparent die CO2Emissionen des Stahls für unsere Kategorien bestätigt, wenn er sich für Green Steel Climate+ oder Green Steel Stainless+ entscheidet.
  2. Vom TÜV Süd haben wir unsere Prozesse zur Dekarbonisierung in unserem Schweizer Werk verifizieren lassen und genauso unternehmen alle Werke in den verschiedenen Ländern eine Vielzahl von Aktivitäten, um die CO2Emissionen zu senken und diese extern verifizieren zu lassen.
  3. Die Verfügbarkeit von Grüner Energie hat dabei natürlich eine Schlüsselposition.

Auch kommt dem Rohstoff Management eine große Bedeutung zu. Das optimieren wir gerade, wo immer es geht. Dazu halten wir auf der wire einen Vortrag zum Thema „Taking Recycling to the next level“. Ein Thema, dass es wirklich in sich hat.

marketSTEEL: Herr Koch, man spürt den Überzeugungstäter und Thoughtleader. Aber lassen sie uns bitte noch einmal zu ihrer strategischen Neuausrichtung kommen, die sie mehrfach ansprachen. Was können sie mir dazu heute sagen?

Nach intensiver Analyse und vielen Besuchen und Gesprächen mit allen Teilen des Konzerns sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass dieser Konzern ein ganz enormes Potenzial hat. Er ist auf der richtigen Produktionsroute, er hat ein sehr umfangreiches Produktportfolio, er produziert herausragende Qualitäten und er hat sehr viele ausgesprochen gute und engagierte Mitarbeiter. Wir sind international gut aufgestellt und haben sowohl Kunden- als auch eine gewisse Rohstoff-Nähe.

Entscheidend ist nun, dass wir unsere Kräfte bündeln und uns noch mehr als zuvor auf unsere Kunden fokussieren. Dass wir gezielt R&D betreiben und dort investieren, wo es um die großen Hebel in Effizienz und Nachhaltigkeit geht. Die beiden Ziele widersprechen sich nämlich nicht, sondern ergänzen sich hervorragend. Wie ich vorhin schon einmal sagte: Nachhaltigkeit duldet keine Ineffizienz.

Um die genannten Ziele zu erreichen, haben wir ein umfassendes Strategieprogramm aufgelegt. Im Rahmen dieses Programms werden wir den Konzern dahingehend umbauen, dass die drei Produktgruppen die wesentliche Rolle spielen, der Kunde noch mehr in den Mittelpunkt rückt und dem Vertrieb allerhöchste Aufmerksamkeit gewidmet wird. All das passiert unter dem Dach und dem Namen der Swiss Steel Group, womit wir auch Marketing und Kommunikation bündeln.

Das sind sehr spannende Perspektiven für die Zukunft, sehr geehrter Herr Koch, vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: Swiss Steel und marketSTEEL

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