Konjunkturaussichten für die Stahl- und Metallrecyclingbranche
von Markus Jesinghaus

Interview BDSV Hauptgeschäftsführerin Dr. Claudia Conrads mit marketSTEEL
marketSTEEL: Wie bewerten Sie die Konjunkturaussichten für die Stahl- und Metallrecyclingbranche für 2025?
Wie in allen Branchen fehlen auch bei uns und unseren Abnehmerbranchen weiterhin die Anzeichen für eine substanzielle Besserung und die erwartete Konjunkturerholung.
Der Zulauf aller Schrottsorten, insbesondere von Neuschrott, könnte aufgrund der angespannten Lage bei den Stahlverbrauchern weiter zurückgehen und die Verfügbarkeit zusätzlich belasten. Die BDSV erwartet für 2025 eine rückläufige Entwicklung des Neuschrottanfalls. Ebenso wird die Verfügbarkeit von Altschrott aufgrund weniger Abbrüche begrenzt bleiben. Zudem sind die Schrottbestände des Handels entlang der Wertschöpfungskette gering, was den Materialengpass zusätzlich verschärfen könnte.
Unsere Mitgliedsunternehmen sehen eine konjunkturelle Schwächephase sowohl im Absatz als auch im Zulauf, wobei sich Nachfrage und Angebot synchron verlangsamen und auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. Erste Indikatoren deuten darauf hin, dass sich der Markt für die Stahlrecyclingwirtschaft im Jahr 2025 zumindest seitwärts entwickeln könnte. Ein spürbares Wirtschaftswachstum in den Nachbarländern könnte die Absatzmöglichkeiten verbessern und damit auch den deutschen Schrottmarkt stabilisieren. Wie alle Branchen hoffen auch wir, dass der Ausgang der vorgezogenen Bundestagswahlen in der zweiten Jahreshälfte neue Wachstumsimpulse setzen wird.
marketSTEEL: Seit November 2024 leiten Sie als neue Hauptgeschäftsführerin den BDSV. Was bewegt gerade die BDSV?
Die BDSV konzentriert sich derzeit verstärkt auf die politische Interessenvertretung, insbesondere im Hinblick auf die Bundestagswahlen und die Neuausrichtung auf europäischer Ebene. Um die Stimme der Stahl- und Metallrecyclingwirtschaft wirkungsvoll zu positionieren, intensiviert die BDSV den Dialog mit politischen Entscheidungsträgern und setzt auf eine faktenbasierte Argumentation, um die Kreislaufwirtschaft als wesentlichen Bestandteil einer nachhaltigen Rohstoffpolitik zu verankern.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Handelspolitik, insbesondere im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen um Exportbeschränkungen für Stahl- und Metallrecyclingrohstoffe in Nicht-OECD-Staaten. Für Unsicherheiten sorgt, dass viele Nicht-OECD-Staaten bislang nicht aktiv signalisiert haben, ob und in welcher Form sie weiterhin Recyclingmaterialien importieren werden. Die BDSV spricht sich klar gegen zusätzliche Handelshemmnisse aus, die den freien Handel mit Recyclingrohstoffen beeinträchtigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche gefährden könnten.
Neben nationalen Fragestellungen sehen wir eine zunehmende Europäisierung der handelspolitischen Debatte, die erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Verfügbarkeit und Nutzung von Recyclingrohstoffen haben wird. Die BDSV fordert daher von der neuen Bundesregierung, ein besonderes Augenmerk auf die europäische Diskussion, um den Zugang zu Sekundärrohstoffen zu legen und sich aktiv für eine marktgerechte Regulierung auf EU-Ebene einzusetzen.
marketSTEEL: Welche Bedeutung messen Sie den bevorstehenden Bundestagswahlen bei?
Die Neuwahlen signalisieren eine Chance, den langanhaltenden Stillstand und die politischen Dispute zu überwinden. Es ist essenziell, zügig eine handlungsfähige Bundesregierung zu formieren, um den vielfältigen aktuellen Herausforderungen unserer Industrie gerecht zu werden und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Industriestandorts zu sichern. Zudem sind diese Wahlen entscheidend für die Fortführung der grünen Transformation.
In diesem Kontext spielt die Stahlrecyclingindustrie durch die Bereitstellung nachhaltiger Rohstoffe eine zentrale Rolle. Es ist von größter Wichtigkeit, dass die vollständigen Wertschöpfungsketten betrachtet werden und das regulatorische Umfeld den Beitrag des Recycling-Schrotts stärker anerkennt und fördert.
Hierzu haben wir in Zusammenarbeit mit dem Verband der Metallhändler und Recycler (VDM) ein Positionspapier zur Bundestagswahl erarbeitet, in dem wir die zentralen Forderungen unserer Branche zusammenfassen, darunter die Anerkennung der Bedeutung der vorgelagerten Stahl- und Metallrecyclingwirtschaft, handelspolitische und internationale Wettbewerbsfähigkeit, eine wettbewerbsfähige Energieversorgung, den Abbau bürokratischer Hemmnisse sowie eine klimafreundliche Logistik.
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