Kartellverfahren - Wie bekomme ich Schadensersatz?

Gastkommentar von Jasmin Hansohm, Legal Adviser, Deminor Recovery Services

 

Wenn das Bundeskartellamt oder eine andere Wettbewerbsbehörde wie zum Beispiel die EU-Kommission ein wettbewerbswidriges Verhalten feststellt, wird in aller Regel ein Bußgeld verhängt. Dieser Betrag wird von der Staatskasse vereinnahmt und wird nicht zur Entschädigung der Geschädigten verwendet. Geschädigte müssen vielmehr selber aktiv werden und Schadensersatz einklagen, um einen Ausgleich für Ihre Verluste zu erhalten.

Steht meinem Unternehmen möglicherweise ein Anspruch gegen die Kartellanten zu?

In einem ersten Schritt wird dazu ermittelt, ob aufgrund des bestehenden Sachverhalts ein Schadensanspruch bestehen kann. Wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Hat unser Unternehmen während des relevanten Zeitraums ein vom Kartell erfasstes Produkt von einem Kartellanten gekauft? Erfasst sind dabei nicht nur direkte Käufe von einem Kartellanten sondern auch Käufe von einem Dritten, der das Produkt bei einem Kartellanten eingekauft hat und dann entweder in derselben Form (z.B. Großhandel) oder in weiterverarbeiteter Form (z.B. Vorprodukt) weiterverkauft hat. Hintergrund: Auch bei einem indirekten Kauf macht sich der durch das Kartell erhöhte Preis (indirekt) bemerkbar.    

Identifizierung und Sammlung relevanter Nachweise

In einem zweiten Schritt müssen alle relevanten Unterlagen gesammelt werden, die insbesondere die Höhe des Anspruches belegen. Welche Unterlagen tatsächlich notwendig sind, ergibt sich aus dem konkreten Einzelfall.  Üblicherweise sind Kaufverträge und Zahlungsnachweisevorzulegen, um den konkreten Anspruch zu begründen. Es kann aber auch sein, dass im Einzelfall deutlich detailliertere Unterlagen vorzulegen sind, gerade etwa wenn es sich um einen indirekten Kauf handelt.

Rechtsanwälte können Ihnen dabei helfen, den genauen Umfang der benötigen Dokumente für Ihren Fall zu bestimmen. In jedem Fall ist es aber sinnvoll, im Fall einer möglichen Betroffenheit von einem Kartell alle potenziell relevante Nachweise aus dem relevanten Kartellzeitraum zu sichern. Oft liegt der Anfang eines Kartells über 10 Jahren zurück, so dass die Unterlagen vor der regelmäßigen Vernichtung geschützt werden müssen.

Rechtliche und wirtschaftliche Beratung

Entscheidend ist es, bereits in einem frühen Stadion rechtliche und wirtschaftliche Beratung zu bekommen. Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche sind bekanntermaßen kompliziert zu berechnen und es bedarf meistens einer komplexen ökonomische Analyse von einem Experten, um den durch das Kartell verursachten Schaden konkret zu beziffern.

Innerhalb der Verjährungsfrist rechtliche Schritte einleiten

Opfer eines Kartells können einzeln oder als Teil einer Gruppe gegen die Kartellmitglieder vorgehen. Die Bündelung von individuellen Klagen in einem Verfahren kann für Kläger in verschiedener Hinsicht effizient sein. Eine größere und bessere Datenlage verbessert die notwendige ökonomische Analyse. Auch ist eine Gruppenklage wirtschaftlich effizienter, da die relativ hohen Kosten für Rechtsanwälte und das ökonomische Gutachten auf mehrere Klageparteien verteilt werden. Gerade die Kosten für das ökonomische Gutachten können in Kartellfällen sehr hoch sein.

Zur Geltendmachung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen müssen Geschädigte innerhalb eines gesetzlich bestimmten Zeitraums handeln.  Kartellschadensersatzansprüche verjähren nach aktuellem Recht fünf Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte Kenntnis von dem Kartellverstoß und von der Identität des Schädigers erlangt hat bzw. zehn Jahre nach Entstehung des Schadens und nach Beendigung des Verstoßes. Bei älteren Schadensersatzansprüche die vor dem 26. Dezember 2016 entstanden sind, gelten andere Regeln.

 

Deminor ist ein in Belgien ansässiges Unternehmen mit mehr als 25 Jahren Erfahrung in der Durchsetzung von Ansprüchen im Rahmen von Klagegruppen. Jasmin Hansohm ist Legal Analyst im Bereich Kartellrecht bei Deminor.

Fotos: Deminor, Fotolia

 

Der Gastkommentar spiegelt die Meinung des Autors wider, nicht notwendigerweise die der Redaktion von marketSTEEL.

Zurück