EU-Stahlaktionsplan und Investitionspaket der Bundesregierung
von Dagmar Dieterle-Witte

marketSTEEL: EU-Stahlaktionsplan und Investitionspaket der Bundesregierung: Ein wirklicher Impuls für die Stahlbranche und die NE-Metall-Industrie?
Das kürzlich beschlossene Investitionspaket der Bundesregierung sieht Investitionen in Höhe von 900 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren vor. Davon sind 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur, einschließlich 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds, und 400 Milliarden Euro für die Bundeswehr bestimmt. Aber nicht nur Deutschland, sondern alle EU-Mitgliedsstaaten werden enorme Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit tätigen müssen.
Hinzu kommt der EU-Stahlaktionsplan, der mehrere zentrale Maßnahmen zum Schutz der europäischen Stahlindustrie umfasst. Dazu gehören eine bezahlbare und sichere Energieversorgung, die Verhinderung der Verlagerung von CO2-Emissionen durch den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), der Schutz und Ausbau europäischer Industriekapazitäten sowie die Förderung innovativer kohlenstoffarmer Technologien einschließlich der Entwicklung grüner Leitmärkte.
Doch inwieweit haben diese Maßnahmen das Potenzial, die Nachfrage nach Stahl und NE-Metallen (wie Kupfer und Aluminium) bedeutend zu beeinflussen?
marketSTEEL: Schauen wir uns die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Stahlbranche als umsatzstärkste Metallindustrie in Europa an:
Beginnen wir dabei mit der Rüstungsindustrie, für die aus sicherheitspolitischen Gründen keine genauen Zahlen über Umsatz und Stahlverbrauch verfügbar sind. Der Verbrauch wird in der Kategorie Metallware erfasst (siehe Abbildung). Obwohl die Rüstungsindustrie stahlintensiv ist, ist ihr Anteil am gesamten Stahlverbrauch in der EU gering. Hier ein einfaches Rechenbeispiel, um dies zu verdeutlichen: Die EU-Mitgliedsstaaten verfügen über insgesamt 1.600 Kampfpanzer. Wenn jeder Panzer etwa 50 Tonnen Stahl enthält und die Anzahl der Kampfpanzer verdoppelt werden soll, so entspricht dies einem zusätzlichen Stahlbedarf von ca. 80.000 Tonnen. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2023 12,1 Millionen Autos in der EU produziert. Geht man von 0,8 Tonnen Stahl pro Auto aus, entspricht dies einem Stahlverbrauch von etwa 10 Millionen Tonnen (ca. 120-mal so viel). Der direkte Einfluss der Rüstungsindustrie auf die Nachfrage nach Stahl ist daher überschaubar, es wird jedoch auch indirekte Einflüsse geben. So werden für die Produktion der neuen Rüstungsgüter neue Maschinen (z.B. CNC-Fräsen für Handfeuerwaffen) oder für den Transport der Waffensysteme Transportmittel (Schiffe, Flugzeuge, Lastwagen) benötigt, was jedoch die Stahlbranche ebenfalls nur geringfügig beleben wird.
Mengenmäßig wichtiger ist die Bauindustrie, welche für etwa 40% des Stahlverbrauchs in der EU verantwortlich ist. Führen wir erneut hier ein einfaches Rechenbeispiel durch, um die Bedeutung des Investitionspakets der Bundesregierung einzuordnen: Im Jahr 2023 erzielte die Baubranche in Deutschland einen Umsatz von etwa 430 Milliarden Euro und benötigte rund 14 Millionen Tonnen an Stahl. Bei den geplanten zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur von 500 Milliarden Euro bis 2035 ergibt sich ein jährlicher Umsatzanstieg für die Branche in Deutschland von ca. 12% (50 Mrd. pro Jahr). Angenommen der Stahlbedarf steigt proportional mit dem Umsatz, dann würde auch der Stahlverbrauch in Deutschland für den Bausektor um 12% und somit um ca. 1,7 Millionen Tonnen steigen. Bei 141,5 Millionen Tonnen an Stahlverbrauch der EU entspricht dies jedoch auch nur einem Wachstum von ca. 1,5%.
Aufgrund der Bedeutung der Automobilindustrie für die EU im Allgemeinen und als bedeutender Markt für die Stahlindustrie mit ca. 20 % des Stahlverbrauchs, müssen wir auch diese Branche betrachten. Der Automobilsektor befindet sich aktuell noch in der Orientierung beim Thema E-Mobilität und kämpft zusätzlich mit Zöllen und internationalem Wettbewerb. Der Stahlaktionsplan und das Investitionspaket haben hier keinen direkten Einfluss und ein notwendiger Aufschwung wird dadurch nicht angetrieben. Die Bundesregierung plant jedoch auch in diesem Segment Investitionen (u.a. Förderung von E-Autos und Aufbau Ladeinfrastruktur) und ein weiterer Aktivitätenplan der EU soll zur Stabilisierung der europäischen Automobilindustrie beitragen. Ob damit das aktuelle Niveau nur stabilisiert wird oder das Niveau von 2018/2019 nochmal erreicht wird, bleibt jedoch fraglich.
marketSTEEL: Schlussfolgerungen für die Stahlbranche:
Die durch die Politik initiierten Maßnahmen liefern einen wichtigen Impuls für die europäische Stahlbranche, werden jedoch nicht ausreichen, um die Branche auf das Niveau früherer Tage zurückzuführen. Einerseits ist eine Verschiebung der Bedarfe weg von der Automobilindustrie hin zur Bauindustrie mit abweichenden Anforderungen (Qualität, Logistik etc.) zu erwarten. Anderseits wird die sinkende Nachfrage im Automobilsektor kaum durch die steigenden Bedarfe aus den anderen Branchen zu kompensieren sein.
Es gilt nun, die politischen Aktivitäten schnellstmöglich in die Tat umzusetzen und für die Stahlunternehmen, sich den zukünftigen Herausforderungen zu stellen und die damit verbundenen notwendigen Veränderungen umzusetzen.
Was das konkret für die einzelnen Stahlunternehmen bedeutet, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell und damit von verschiedenen Faktoren ab, u.a.:
- der Fertigungstiefe (Rohstahlerzeugung und/oder Weiterverarbeitung),
- der Supply Chain (Anlagenpark & Logistik),
- der Marktpositionierung,
- dem Produktportfolio,
- dem Kundenstamm.
Einordnung der Maßnahmen für die NE-Metallindustrie:
Auch die NE-Metallindustrie, wie Kupfer und Aluminium, kämpfte in den letzten Jahren mit einem Nachfragerückgang, wird aber wahrscheinlich ähnlich wie die Stahlindustrie von den Maßnahmen der Bundesregierung und der EU profitieren. Auch hier ist die Baubranche ein wichtiger Mengenträger, auf den die Maßnahmen direkt wirken. Ebenfalls profitieren wird die Branche durch den steigenden Bedarf im Maschinenbau und in der Elektrotechnik, welcher indirekt durch die Investitionsmaßnahmen angetrieben werden. Positiv wirkt zusätzlich, dass die Branche eine wichtige Rolle bei der Herstellung von E-Autos spielt und somit der negative Trend der Automobilbranche im Bereich der NE-Metalle nicht ganz so gravierend ausfallen dürfte. Die Herausforderungen sind in der NE-Metallindustrie aber generell die gleichen wie in der Stahlindustrie, denn sinkende Bedarfe und eine sich ändernde Nachfragestruktur zwingt die Unternehmen der Branche zum Handeln.