Effizienz in der Stahldistribution erfordert Umdenken
Die Anforderungen an die Stahldistribution im Zeitalter von Digitalisierung und Industrie 4.0 unterscheiden sich immens von denen, die noch vor wenigen Jahren den Stahlhandel geprägt haben. Vom Einzelschnitt bis hin zum Massenschnitt müssen Teile heute effizient bearbeitet werden können. Dabei ist der Markt zunehmend geprägt von Kleinlosigkeit, kleinen Bestellmengen und knappen Ressourcen bei kurzen Lieferzeiten. Eine gewisse Marksättigung erzwingt zudem das stetige Streben zum Vollsortimenter bei gleichzeitig hohem Anarbeitungsgrad.
„Quo Vadis“ – wohin geht also die Reise für die Stahlhändler weltweit, wenn mit Industrie 4.0 die vierte industrielle Revolution einen Wandel bringt, der zum heutigen Tag nur bedingt absehbar ist? Augenblicklich kann man dem stetigen Wandel nur begegnen, indem man als Stahlhändler sein Time-to-Market ständig optimiert und dabei gleichzeitig versucht, seine Prozesse zu stabilisieren. Die Anforderungen an Maschinenhersteller wie die Behringer GmbH bestehen darin, Sägeanlagen herzustellen, die sich weitestgehend mit folgenden Prinzipien befassen: die der Selbstorganisation von Prozessen, deren Selbstkonfiguration, ihre Selbstoptimierung und – im besten Fall – ihre Selbstheilung. Denn mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel und den demografischen Wandel, geht es in immer mehr Stahlhandelsunternehmen mittlerweile nahezu bedienerlos zu. Für die Sägeanlagen bedeutet dies, dass sie, ganz im Zeichen von Industrie 4.0, weitgehend autonom agieren und reagieren. Menschen sagen den Maschinen im Idealfall nicht mehr wie sie etwas tun sollen, sondern konkret was zu tun ist. Um den Rest kümmert sich die Maschine dann selbst. Der Bediener von heute bekommt somit eine ganz andere Aufgabe im Produktionsprozess zugeteilt, indem er sich vielmehr um planungstechnische und organisatorische Dinge zu kümmern hat.
Umfangreiche Automatisierungseinrichtungen, wie Rollenbahnen, Greifer- oder allgemeine Handlingsysteme sind im Stahlhandel heute eine Selbstverständlichkeit. Sie transportieren das Material in den Arbeitsbereich der Säge und entsorgen diese auch wieder. Sie sortieren die Abschnitte und weisen sie einem definierten Zielort zu. Ebenso wird mit Trägern und Profilen verfahren, die nach dem Sägen in eine Bohranlage oder nachfolgend noch zur Oberflächenbehandlung gelangen. Im bedienerarmen Betrieb des Stahlhandels sorgt etwa die Anbindung an ein kundenseitiges Warenwirtschafts- und Produktionsplanungssystem für eine eindeutige Auftragszuteilung vom Materialeingang bis zur Auslieferung. Im Idealfall wird das Material von den Mitarbeitern vom Eingang bis zur Verladung kaum angefasst. Mit spezifischen Intralogistiksystemen können Stahlhändler die Organisation, Steuerung und Durchführung des innerbetrieblichen Material- und Informationsflusses aus einer Hand realisieren.
Die Selbstorganisation einer Maschine mit einem solch komplexen Anlagensystem setzt ein dynamisches Routing voraus, das die Auftragsverfolgung mit Hilfe eines mit-lernenden Transportmanagementsystems erledigt. Das Transportmanagementsystem von Behringer besitzt eine dynamische Funktionalität und navigiert die Träger intelligent durch die gesamte Anlage. Es sucht den sinnvollsten, schnellsten oder kürzesten Weg zum Kommissionierplatz, abhängig vom Auftragsinhalt. Am zentralen Leitsystem lässt sich jederzeit ablesen, wo sich welcher Träger gerade auf der Anlage befindet. Die einzelnen Rollenbahnabschnitte können jederzeit separat angesteuert werden, um auch eine Priorisierung im Verlauf des Auftrags vornehmen zu können, Änderungen im Ablauf aktuell aufzugreifen oder Träger aus dem laufenden Prozess zu schleusen. Online lassen sich sowohl der Status der laufenden Aufträge als auch die noch vorhandenen Kapazitäten auf der Anlage ablesen. Die gesamte Prozesskette des Part Flow wird in Echtzeit transparent dargestellt. An die Maschine können jegliche Leit- und Fremdsysteme durch vordefinierte Standardschnittstellen angebunden werden. Eine IPC-Steuerung mit sämtlichen Möglichkeiten ist dabei der zentrale Aspekt der Selbstorganisation in der Maschine.
Um den Sägeprozess tatsächlich dynamisch zu gestalten, muss die Maschine auch in der Lage sein, sich nahezu selbst zu konfigurieren. Technologiewerte und Schnittparameter werden dabei ständig in Echtzeit erfasst, miteinander vergleichen und an aktuelle Situationen sowie Ereignisse angepasst. Durch den Einsatz eines richtig ausdimensionierten servomotorischen Sägeantriebs beispielsweise, gepaart mit dem passenden Getriebe zur optimalen Leistungsentwicklung, können heute im besten Fall bis zu 30 Prozent der Antriebsenergie eingespart werden. Die Auswertung der Maschinendaten im Ist-Zustand und der Vergleich mit dem Soll-Zustand erfolgt dabei sowohl in Remote- als auch in Echtzeit.
Die Folge dieser Auswertung ist die Selbstoptimierung. Denn aus jeder Messung lässt sich immer ein Regelverhalten ableiten, eine so genannte Adaption, die das Ergebnis aus Eingabe plus Verhalten ist. Konkret wird die neue Ausgangslänge des Materials vermessen, am Profil erfolgt eine Breitenerkennung, eine Abschnittlängenkontrolle und – je nach Auftrag – beispielsweise ein dynamischer Wiegeprozess. Denn reproduzierbare Qualität muss auch dann noch gewährleistet sein, wenn das Werkzeug ermüdet und stumpf wird. Auch beispielsweise ein Röntgencheck aller Abschnitte, bei dem etwa Risse und Faserverläufe sichtbar werden, kann schon vor dem Sägeprozess bei der Materialzuführung Ausschussteile vermeiden. Ein nachgeschaltetes Wiegesystem oder eine Laserstation zur Längenvermessung garantieren nahezu vollständig reproduzierbare Qualität.
Die Selbstheilung ist nur in Ansätzen realisierbar. Während sich Sägeparameter heute schon selbsttätig nachregulieren können, erfordern Situationen, wie ein Zahnbruch am Sägeband, nach wie vor menschliche Unterstützung. Wird die gesamte Anlage ohne Safety-Integrated (SI) mittels Not-Aus gestoppt, sind Schäden aufgrund des abrupt entstehenden Schnittdrucks unvermeidbar, und eine dreistellige Summe für ein neues Sägeband wird zwangsläufig fällig. Ein geordnetes, geregeltes Stopp-Verhalten verhindert solches Verhalten und mindert etwa die Folgekosten. Des Weiteren lassen sich in SI-Konzepte intelligente Verknüpfungen von Sicherheitskreisen mit mehreren Teilnehmern, wie Roboter, Lager oder Entgratanlagen, anbinden. Außerdem ermöglicht SI die einheitliche Beschreibung der Ist-Zustände im Schadensfall. Im Klartext bedeutet das eindeutig mehr als das landläufige „die Maschine ist kaputt“ seitens des Bedieners. Trotz aller technologischen Verbesserungen muss die Steigerung der Effizienz im Fokus stehen – gemeinsam mit den Maschinenbedienern. Denn auch ältere Mitarbeiter müssen ihre Maschinen noch 15 Jahre bedienen können, und auch der Mitarbeiter von morgen wird kein IT-Spezialist sein können.
Es ist nicht derjenige Experte für Industrie 4.0, der 50 Sensoren in die Cloud hängen kann. Industrie 4.0 macht auch das Bedienkonzept der Maschinen nicht einfacher, nur weil man ein Tablet an die Maschine anschließt. So lange die Daten nicht so verbessert werden, dass sie einen Mehrwert darstellen, so lange werden Kunden in diesem Bereich nicht zu Investitionen bereit sein.
Quelle: Behringer Eisele GmbH Fotos: marketSTEEL
Der Beitrag stammt von Thomas Großkopf, Geschäftsführer Behringer Eisele GmbH.
Allgemeiner Hinweis der Redaktion: Der Gastkommentar legt die Meinung des Autors dar und nicht notwendiger Weise die der Redaktion von marketSTEEL.