Digitalisierung, Überkapazitäten und Herausforderungen

von Alexander Kirschbaum

marketSTEEL: Wie treibt ArcelorMittal die digitale Transformation im Unternehmen voran?

Die Digitalisierung ist für uns eine ganz klare Chance, und wir arbeiten bereits intensiv in diesem Bereich. Wir haben etwa die Plattform SteelUser entwickelt, die den gesamten Bestellprozess digitalisiert. Der Kunde kann dort genau verfolgen, in welchem Stadium sich seine Bestellung befindet, von der Lagerverwaltung bis zur Rechnungslegung. Auch als Großserienfertiger sind wir in der Situation, dass immer mehr Kunden ein spezifisches Produkt benötigen und auf einen individualisierten Lieferzyklus bestehen. In der Vergangenheit war das ein Widerspruch, durch die Digitalisierung können wir die Prozesse jedoch jetzt stärker verzahnen, für uns und unsere Kunden optimieren und diesen Widerspruch schrittweise auflösen.

Ein weiteres Beispiel ist die App Track & Trace, die wir derzeit in unserem Werk in Gent testen. Mithilfe dieser Logistiklösung kann man verfolgen, wo sich ein bestimmtes Stahlprodukt befindet und wie es sich auf den Zielstandort zu bewegt.

Ein drittes Beispiel für die digitale Transformation bei ArcelorMittal ist die App „Steel Advisor for Industry“. Hier bilden wir unsere gesamte Produktpalette für die verschiedenen Kundengruppen ab. Die App hilft bei der Auswahl der für spezifische Stahlanwendungen optimalen Produkte und erläutert die Möglichkeiten der Produktanpassung. Wir bekommen hier viel Zuspruch von unseren Kunden, denn sie sehen den großen Vorteil. Einkäufer müssen Materialanforderungen nicht mehr mühsam in Tabellen nachschlagen, sondern werden Menügesteuert zu den optimalen Produkten geführt, einschließlich aller technischen Angaben und Erläuterungen, wo die Vorteile des einzelnen Produkts liegen.

marketSTEEL: Der globale Stahlmarkt ist derzeit von massiven Überkapazitäten geprägt. Wie reagiert ArcelorMittal auf diese Situation?

Wir setzen uns ganz klar für freien und fairen Handel ein. Dort, wo es unfaire Handelspraktiken oder Preisdumping gibt, muss die Europäische Kommission allerdings Handelsschutzmaßnahmen einleiten. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass solche Maßnahmen dann auch wirken, und die Märkte gegen unfaire Handelspraktiken geschützt werden können. Kurzfristig kann das notwendig sein, aus unserer Sicht ist es aber keine dauerhafte Lösung. Die eigentliche Ursache für unfaire Handespraktiken sind die globalen Überkapazitäten und staatliche Eingriffe in die Märkte. Wir hoffen, dass unter der deutschen G20-Präsidentschaft nicht nur die Erkenntnis weiter wächst, dass etwas getan werden muss, sondern konkret Maßnahmen ergriffen werden. Das einzige, was den Märkten langfristig hilft, ist die Durchsetzung der OECD-Prinzipien. Unwirtschaftliche Kapazitäten dürfen nicht durch staatliche Eingriffe künstlich erhalten werden.

Welche Chancen sehen Sie für deutsche Stahlunternehmen im internationalen Wettbewerb?

Die deutsche Stahlindustrie ist insgesamt sehr gut aufgestellt, was die Wettbewerbsfähigkeit betrifft. Das gilt auch für die vier Produktionsstandorte von ArcelorMittal in Deutschland, denn wir haben ein sehr gutes Produktportfolio, wir setzen auf Innovation und investieren in unsere Werke. Wir brauchen die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb, den Rest machen wir alleine.  

Was sind für ArcelorMittal die größten Herausforderungen in der Zukunft?

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Prozesse und Produkte wollen wir uns weiter stark entwickeln. In der Kombination aus Produktinnovationen und Digitalisierung sehen wir eine große Chance.

Quelle und Fotos: marketSTEEL

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