Die deutsche Stahlindustrie hat definitiv eine Zukunft!
marketSTEEL im Interview mit
Simon Zeilberger, Geschäftsführer von Lech-Stahlwerke GmbH
marketSTEEL: Herr Zeilberger, wenn wir die Zolldiskussionen der USA, China und der EU betrachten: In wie weit beeinflussen die Zölle der EU bzw. USA den Handel der Lech-Stahlwerke?
Simon Zeilberger:
Man muss differenzieren, welche Zölle wir genau betrachten. Die Importzölle auf Stahl in Amerika sind ärgerlich, betreffen uns als Werk jedoch nicht signifikant, da unser Exportanteil eher gering ist. Problematisch wären Zölle auf europäische Automobile. Allerdings sind die Automobilzölle derzeit nicht in Kraft. Diese würden uns sehr viel stärker treffen, da wir ein starker Automobil-Zulieferer sind. Ein Großteil unserer Qualitätsstähle geht in den Bereich der Umformtechnik und diese Teile wiederum ins Automobil. Wenn durch eine solche Maßnahme der Export aller europäischen Länder in die USA reduziert würde, würde uns das natürlich spürbar treffen.
marketSTEEL: Sehen Sie uns im Moment schon auf dem Weg in den Handelskrieg? Oder anders gefragt: Wann wird aus Ihrer Sicht der Streit zum Handelskrieg?
Simon Zeilberger:
Ich glaube, da gibt es keine richtige oder falsche Definition. Ein Krieg beginnt dann, wenn es nachhaltig zu Schäden in der Volkswirtschaft führt. Und ich glaube, wir sind momentan an der Kippe, an der Unternehmen im Handel mit den USA beginnen, Handelsströme umzulenken oder ihr Geschäft neu zu strukturieren.
marketSTEEL: Welche Konsequenzen haben die aktuellen Verwerfungen im Welthandel für Europas Produzenten? Welche Möglichkeiten sehen Sie zu reagieren? Und wie reagieren Sie?
Simon Zeilberger:
Man kann im Grunde nur mit Flexibilität reagieren. Sie können die Maßnahmen, die auf politischer Ebene getroffen werden, nicht aktiv beeinflussen. Wir können politisch engagiert mitdiskutieren und unsere Positionen einbringen. Aber am Ende müssen wir warten, wie Donald Trump morgen entscheidet, wie der Brexit entschieden wird und was China genau tut.
Wir haben leider den gemeinsamen europäischen Fokus etwas verloren. Wir hatten eine sehr gute Initiative diskutiert, über die G20 die Überkapazitäten in China anzugehen. Diese Diskussionen und Pläne sind in letzter Zeit aufgrund der Zollthematik mit den USA etwas untergegangen. Ich bin überzeugt, dass wir hier wieder ansetzen müssen. Das ist der richtige Weg.
Es geht um einen fairen Welthandel. Wir als Lech-Stahlwerke sind ganz klar für den offenen und freien Handel und scheuen auch nicht die Konkurrenz aus dem In- und Ausland. Nur muss dieser Wettbewerb genau wie wir unter den gleichen Rahmenbedingungen handeln. Doch diese sind teilweise nicht gegeben. Es gibt unterschiedliche Aspekte in den verschiedenen Ländern, zum Teil gibt es staatliche Subventionen, zum Teil gibt es verschiedene andere Begünstigungen. Es gibt auch in Europa Werke, die nicht kostendeckend arbeiten. Diese unrentablen Produktionsstätten müssten aus unserer Sicht aufgegeben werden, sie werden aber politisch nach wie vor gehalten.
marketSTEEL: Denken Sie da an ein bestimmtes Land?
Simon Zeilberger:
Es gibt beispielsweise in Italien und Frankreich immer wieder Werke, die politisch gestützt werden. Die Politik in Europa setzt sich generell für einen freien und fairen Handel ein, schwierig ist es jedoch für die lokale Politik, in deren Einzugsbereich sich große Stahlwerke befinden. Wird ein großes Werk stillgelegt, bedeutet das natürlich eine große strukturelle Veränderung. Daran hängen oft mehrere Hundert oder gar Tausende von Arbeitsplätzen. Von der Reduktion an Arbeitsplätzen sind dann sowohl die Werke selbst wie auch die gesamte Zulieferindustrie betroffen.
marketSTEEL: Sie sprechen von Flexibilität. Wo können oder könnten Sie flexibel reagieren?
Simon Zeilberger:
Wir als Lech-Stahlwerke sind ein flexibles Werk. Wir sind hybrid aufgestellt, wir haben Qualitäts- & Baustähle sowie Betonstähle im Produktsegment und liefern auch in unterschiedliche Industriebereiche. Diese breite Diversifizierung können wir nutzen, um Marktschwankungen in gewissen Segmenten auszubalancieren. Je nach Rahmenbedingungen sind dem, was man selbst beeinflussen kann, jedoch Grenzen gesetzt.
marketSTEEL: Betrachten wir das Thema Digitalisierung. Wie beeinflusst die Digitalisierung Ihr Tagesgeschäft?
Simon Zeilberger:
Über Digitalisierung wird in letzter Zeit viel geredet. Ich bin seit elf Jahren in der Stahlindustrie tätig, in dieser Zeit ist die Stahlindustrie immer mit Digitalisierung beschäftigt gewesen. Wenn Sie sich die Produktionsprozesse der letzten 10, 15, 20 Jahre anschauen, stellen Sie fest, dass es Veränderungen nicht erst seit drei Jahren gibt.
Was sich natürlich extrem entwickelt hat, ist die Vernetzung untereinander sowie der Umgang mit großen Datenmengen. Diverse Plattformen, Systeme, geringe Kosten für Datenträger und ein schnelleres Internet haben diese Entwicklungen enorm beschleunigt. Auch bei den Lech-Stahlwerken hat das Thema durch die Schaffung einer neuen Digitalisierungsabteilung einen höheren Stellenwert eingenommen. Das beeinflusst unser Tagesgeschäft enorm.
Derzeit beschäftigen wir uns intensiv mit der Analyse sämtlicher Prozesse, um diese auf ihre Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale zu überprüfen. Wichtig dabei ist uns, ein Gesamtkonzept zu verfolgen, welches aber in übersichtlichen Schritten umgesetzt wird. Wenn es um die Vernetzung mit Kunden und Lieferanten geht, sind die Lech-Stahlwerke nach wie vor, aufgrund unserer mittelständischen Prägung, eher restriktiv. Aber gewisse digitale Verbindungen und Schnittstellen mit Kunden gibt es nicht erst seit drei, vier Jahren.
marketSTEEL: Sie reden also hauptsächlich von der Logistik und von der Auftragsabwicklung?
Simon Zeilberger:
Im Produktionsbereich ist das Thema Digitalisierung omnipräsent, hier findet, wie ich schon sagte, die Digitalisierung nicht erst seit gestern statt. Eine stabile und kosteneffiziente Produktion steht hier im Vordergrund. Dies kann durch Automatisierung und digital unterstützte Prozesse erreicht werden.
marketSTEEL: Wie sehen Sie die Handelsströme der Zukunft?
Simon Zeilberger:
Das ist eine schwierige Frage. Dazu müssten wir wissen, wie es politisch weitergeht. Was passiert mit dem Brexit, was entwickelt sich zwischen USA und China, was passiert mit den von den USA angedrohten Automobilzöllen? In der Summe kann ich vielleicht etwas salopp zusammenfassen: Die Stahlindustrie hat definitiv eine Zukunft – und das auch in Westeuropa. Weil wir heute und auch in Zukunft Wege finden, effizient guten Stahl zu produzieren, der auch weiter gebraucht wird - egal ob in Automobilen, im Maschinenbau oder in anderen Bereichen. Ich bin zuversichtlich, dass die Branche auch in dieser unwägbaren Situationen Wege findet, ihre Produkte weiter erfolgreich zu vermarkten.
Das Interview führte marketSTEEL mit
Simon Zeilberger, Lech-Stahlwerke GmbH
Fotos: Simon Zeilberger und marketSTEEL