Der Zukunftsglauben der deutschen Unternehmen für China ist getrübt

von Dagmar Dieterle

Krise folgt auf Krise: Während die deutsche Wirtschaft noch durch die Folgen der Corona-Pandemie beeinträchtigt ist, bremst der Ukrainekrieg den Wirtschaftsaufschwung zusätzlich. Und jetzt sind auch noch die Lieferketten unterbrochen. Der Konjunkturchef Timo Wollmershäuser vom Münchner Ifo-Institut betont: "Das trifft uns wahrscheinlich im Mai und Juni mit voller Wucht." Denn 15 Prozent aller importierten Vorprodukte kämen aus China.

China ist der größte Markt der Welt und seit 2016 der wichtigste Handelspartner für Deutschland. China verfolgt die strikte Null-Covid-Politik. Dadurch droht die Beziehung zu Deutschland sich rapide zu verschlechtern. Die internationalen Lieferketten sind unterbrochen. Denn seit der Corona-Stillstand den mächtigen Hafen Schanghai seit nunmehr über zwei Monate stilllegt, denken immer mehr Unternehmer über Alternativen zu China nach.

Anfang April hatten 87 der 100 wirtschaftsstärksten Städte Chinas Covid-Einschränkungen, kommentier der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) in seiner Analyse. Das sind praktisch alle Städte! Und der VMDA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) stellt im selben Monat seine jährliche China-Frühjahrsumfrage vor. Die meisten der befragten Unternehmen im Land bewerten die Lage als „schlecht“. Fast 30 % der Befragten erwarten für die kommenden 6 Monate eine „Verschlechterung“ ihrer wirtschaftlichen Lage.

Doch es geht viel weiter als nur die ernüchternden wirtschaftlichen Aussichten. Es ist Sorge, die uns die China-Politik macht. Der Chinesischen Staat, insbesondere die Sicherheitsbehörden, gehen mitunter äußerst rücksichtslos vor bei der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen vor. Es häufen sich die Beschwerden, wonach die Versorgung mit Nahrungsmitteln für die Millionen zu Hause eingesperrten Chinesen und „Expats“ häufig stocke.

Und ganz aktuell dieses Wochenende (21./22.05.2022): Apple will seine Produktionskapazitäten außerhalb Chinas erweitern, berichtete das Wall Street Journal am Samstag. Der Technologieriese nannte Pekings Null-Covid-Politik als einen Grund für den gemeldeten Vorstoß, teilten Quellen, die der Angelegenheit nahe stehen, der Verkaufsstelle mit. Analysten schätzen, dass etwa 90 % der Apple-Produkte von Vertragsherstellern in China hergestellt werden, wodurch der Erfolg des Technologieriesen anfällig für die Launen der Kommunistischen Partei Chinas ist.

Ulrich Ackermann, Leiter Abteilung Außenwirtschaft beim VDMA, schätzt, dass von der deutschen Community in China seit Beginn der Reisebeschränkungen schon die Hälfte abgewandert sei – „und nach dem, was man so hört, will sich von den Übriggebliebenen eine weitere große Gruppe auf den Weg machen, sobald der Lockdown es zulässt.“ Ein Großteil der sogenannten Expats in China plane, schreibt auch der BDI, „das Land möglichst bald zu verlassen“.

Die Kontakte zwischen Europa und China werden dadurch ausgedünnt, was keine gute Entwicklung sein kann – aber man kann es den Unternehmern wahrlich nicht verübeln.

Quellen: BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie), VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) Ulrich Ackermann, Wirtschaftswoche, n-tv, BDI, Wall Street Journal

Fotos: marketSTEEL, fotolia

 

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