Das Industriedilemma „made in Germany“
von Dagmar Dieterle
Dilemma „made in Germany“: Die Produktion geht zurück, Aufträge fehlen. „Laut ifo-Umfrage spüren 44 Prozent der Unternehmen in unserer Branche Rückgänge“, so Holger Ade, Leiter Industrie- und Energiepolitik beim Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung. Störfaktoren und Investitionsbremsen sind u. a. Energiekosten und Bürokratievorgaben. Das Dilemma ist hausgemacht, der WSM fordert schnell bessere Standortbedingungen. Ade: „Während unsere Wachstumsraten in der Stahl- und Metallverarbeitung 2023 wieder um 3,1 Prozent sanken, stiegen sie in der Türkei um 10,2 Prozent an. Und auch Frankreich lag leicht im Plus.“
Deutschland im Ländervergleich: zu teuer, zu lahm, zu marode
Woanders läuft es runder: In Frankreich zahlt die Industrie aktuell 13,84 Cent für Strom, in den USA nur 7,1 Cent. Bei uns sind es fast 18 Cent. Zudem kostet die hiesige Bürokratie zu viel Zeit: Deutschland rangiert bei der Verwaltungsdigitalisierung für die Wirtschaft im EU-Vergleich auf Rang 18 – dies zeigte eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln im letzten Jahr. Der bürokratische Aufwand für eine A1-Bescheinigung verschlingt laut Prognos gut 10 Euro, in Österreich und Frankreich sind es nur rund 7 Euro. Auch die Zeche für infrastrukturelle „Sparmaßnahmen“ zahlt die Industrie. Mit 2,10 bis 2,69 Prozent des BIP investiert Deutschland hier seit Jahren zu wenig – EU-weit liegt der Invest laut Statista bei durchschnittlich 3,25 Prozent. Die WSM-Kampagne „Wir. Formen. Fortschritt“ zeichnet auf ihren Social-Media-Kanälen aktuell weitere Ländervergleiche auf, bei denen Deutschland schlecht abschneidet. Der Standort ist teuer, lahm, marode und zu wenig industrieinteressiert. Die Folge: Unternehmen investieren weniger oder woanders.
Nachfrageschwäche aus dem Maschinenbau: Indiz für fehlende Investitionen
„Unsere WSM-Unternehmen leiden unter der Nachfrageschwäche aus dem Maschinenbau. Sie ist ein Indiz dafür, dass dieser Sektor weniger investiert“, unterstreicht Holger Ade. Im März gab es in der Stahl- und Metallverarbeitung – anders als in anderen Produktionsbereichen – zwar ein 9-prozentiges Produktionsplus gegenüber Februar. Dennoch ist auch hier die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um knapp 6 Prozent gesunken.
Problemlöser: stabile Energiepreise und dauerhaft niedrigere Netzentgelte
„Dringende Aufgabe der Politik ist es, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen“, fordert der Verband. Ganz oben auf der To-do-Liste stehen für den WSM langfristig wettbewerbsfähige Energiepreise statt temporärer Entlastungen. Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer: „Vorübergehende Preisbremsen und Stromsteuersenkungen sind keine Problemlöser. Problemlöser sind stabile Preise und dauerhaft niedrigere Netzentgelte. Nur so können Unternehmen langfristig und verlässlich planen.“
Problemlöser: Bürokratie entschlacken und vereinfachen
Auch die zweite Investitionsbremse ist hausgemacht: das lähmende Bürokratiemonster mit Papierkrieg, unkomfortablen Abläufen, teuren und langwierigen Genehmigungsverfahren. „Die Politik muss Vorgaben und Regularien entschlacken und vereinfachen. Dann fassen Unternehmen wieder Mut zu investieren“, unterstreicht WSM-Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. „Die aktuelle Industriepolitik gefährdet das ganze Land. Wir sind eine produzierende Nation ohne ausreichend Alternativen.“
Quelle und Foto: WSM - Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.