Weichenstellung für internationalen CO2-Entnahme-Markt
von Hubert Hunscheidt
Erreichen tun sie dies in aller Regel, indem sie schwer zu vermeidende CO2-Emissionen mit freiwilligen CO2-Zertifikaten von sogenannten Offset-Märkten kompensieren. Die Umwandlung dieser gewachsenen Märkte in harmonisierte CO2-Entnahme-Märkte, die auch das wachsende Angebot von Zertifikaten aus technischer CO2-Entnahme enthalten, würde die internationale CO2-Preisgestaltung um eine wichtige Komponente ergänzen. Auf der COP26 könnten dafür jetzt wichtige Weichen gestellt werden.
„Die Nachfrage nach zusätzlichen CO2-Zertifikaten von Offset-Märkten ist hoch und steigt immer weiter“, sagt Wilfried Rickels, Forschungsdirektor Global Commons und Klimapolitik am IfW Kiel, der die zahlreichen Einflussfaktoren gemeinsam mit IfW-Umweltökonomin Christine Merk in einem Kiel Focus zusammengefasst hat. So schätze die Taskforce on Scaling Voluntary Carbon Markets (mit Unterstützung von McKinsey), dass die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten auf CO2-Offset-Märkten bis 2030 um den Faktor 15 und bis 2050 um den Faktor 100 steigen könnte. Diese Zertifikate sind bisher überwiegend Nachweise für zusätzliche CO2-Reduktionen. „Gleichzeitig besteht die Hoffnung, dass das Angebot dieser CO2-Zertifikate aus zusätzlichen Emissionsreduktionen bald sinkt“, so Rickels, denn das ergebe sich automatisch, wenn – wie es ja eigentlich global angestrebt sei – die weltweiten Emissionen sinken. „Es bleiben dann viel weniger Möglichkeiten für zusätzliche Emissionsreduktionen, und somit sinkt das Angebot an CO2-Offsets.“
Zusätzlicher Druck komme bald von der EU, so Rickels. „Nach den ‚Fitfor55‘-Plänen soll der lineare Reduktionsfaktor angehoben werden und das Europäische Emissionshandelssystem EU ETS bereits Ende des nächsten Jahrzehnts netto-null und dann sogar netto-negativ werden.“ Eine Fortsetzung des Handelssystems setze dann voraus, dass anrechenbare CO2-Zertifikate für die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre verfügbar seien, die nicht mehr zusätzlich außerhalb des EU ETS in einem anderen Land als Klimaschutzmaßnahme angerechnet werden könnten.
„Technische Lösungen zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und Speicherung unter der Erde oder in Baumaterialien könnten das Angebot erhöhen“, skizziert Rickels einen Lösungsansatz für das knappe Gut. Während naturbasierte Ansätze, wie Aufforstungen oder die Renaturierung von Mooren, nur ein begrenztes Potenzial haben und viele Wechselwirkungen berücksichtigen müssten, hätten beispielsweise Direct Air Capture-Verfahren, wie sie in Island schon kleinskalig betrieben werden, deutlich höheres Potenzial.
„Bei diesen Methoden bietet sich eine dezentrale Entwicklung unterschiedlicher Technologien und Ansätze an.“ Voraussetzung dafür sei aber, dass es entsprechende Märkte gibt, auf denen die (noch) wenigen Anbieter mit den Nachfragern nach CO2-Entnahmen zusammenkommen und die im Vergleich bisherigen relativ hohen Transaktionskosten beim bilateralen, projekt-basierten CO2-Handel sinken. „Durch verbesserte Standardisierung sowie ein einheitliches Preissignal kann sich hier die dezentrale Marktkraft entwickeln, die benötigt wird, um die technische CO2-Entnahme in dem Maße zu entwickeln, in dem es notwendig wäre, um noch in die Nähe des 1,5°C-Ziels zu kommen.“
Gleichzeitig böten CO2-Entnahme-Märkte die Möglichkeit, dem grundsätzlichen Ziel eines umfassenden Emissionshandels näher zu kommen. CO2-Entnahme-Zertifikate, die in unterschiedlichen nationalen CO2-Preissystemen anrechenbar seien, erlaubten eben diese zu verknüpfen. Beispielsweise erscheine die Verknüpfung des europäischen Emissionshandelssystems mit dem chinesischen regulatorisch anspruchsvoller als die Zulassung eines Angebots an einheitlichen CO2-Entnahme-Zertifikaten, die damit indirekt zu einer Preisangleichung auf den Märkten führen könnten.
Für diese unterschiedlichen Herausforderungen werde die COP26 noch keine abschließenden Lösungen liefern können. Im Gegenteil, es sei eher zu erwarten, so die Autoren, dass das von regionalen Initiativen, wie zum Beispiel dem für Frühjahr 2022 angekündigten EU-Zertifizierungssystem für die CO2-Entnahme, entscheidende Impulse ausgingen. „Bei der COP26 kommt es darauf an, die Notwendigkeit eines internationalen CO2-Entnahme-Marktes anzuerkennen und die Weichen für eine Standardisierung und Klassifizierung der CO2-Zertifikate zu stellen“, sagt Rickels. So öffne man gerade für Länder wie China, deren Exportgeschäft zunehmend CO2-neutrale Produktion voraussetzen wird, eine wichtige Perspektive.
Quelle: IfW Kiel / Foto: Konstantinos Dafalias - Pixelio