Digitaler Zwilling für ultraleichte, zuverlässige Gussstrukturen
von Angelika Albrecht
In dem neuen Forschungsprojekt »GJSlim« arbeiten Forschende aus dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in einem Konsortium unter Leitung der RWTH Aachen an der Entwicklung eines übertragbaren Leichtbaukonzepts zur Nutzung erhöhter zyklischer Beanspruchbarkeiten für ultraleichte Strukturen aus GJS mit Wandstärken kleiner als 5 Millimeter. Ziel ist, grundlegende Abhängigkeiten zwischen Gestalt- und Prozessoptimierung sowie lokalen Bauteileigenschaften über einen interdisziplinären Wissenstransfer zwischen den Disziplinen Gießereitechnik, Strukturleichtbau und Betriebsfestigkeit aufzuzeigen, das Leichtbaupotenzial dieser Werkstoffe weiter zu steigern sowie den CO2-Ausstoß während Produktion und Nutzung deutlich zu senken.
Hohe Bauteilkomplexität bei niedrigen Produktionskosten
Gussstrukturen punkten mit einer hohen Bauteilkomplexität bei niedrigen Produktionskosten und sind daher für die Serienfertigung von funktionsintegrierten Leichtbaustrukturen prädestiniert. Insbesondere Gusseisen mit Kugelgraphit GJS weist für den Leichtbau eine optimale Kombination aus einstellbarer Festigkeit, Duktilität und Steifigkeit auf. Nach aktuellem Stand der Technik finden jedoch lokal unterschiedliche Materialeigenschaften von Bauteilen aus GJS, bspw. aufgrund unterschiedlicher Bauteilwandstärke, keine bzw. nur sehr eingeschränkt Berücksichtigung in der Bauteilauslegung.
Daher fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in dem Projekt »GJSlim« die Realisierung besonders dünner GJS-Strukturen mit Wandstärken kleiner als 5 Millimeter und die Ermittlung von technologischen Größeneinflüssen für die Bauteilbemessung sowie den Aufbau eines Gesamtkonzeptes für höchste Werkstoff- und Strukturausnutzung bei GJS mit Hilfe eines Digitalen Zwillings. Die dafür erforderlichen unterschiedlichen Kompetenzen der Disziplinen Gießereitechnik, Strukturleichtbau und Betriebsfestigkeit spiegeln sich in der Zusammensetzung des Konsortiums wider.
Lange Lebensdauer und hohes Leichtbaupotenzial
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fraunhofer LBF verfügen über langjährige Erfahrungen in der Integration von Beanspruchungssimulation, der Ermittlung sowie Abschätzung des zyklischen Werkstoffverhalten und der Gießprozesssimulation für den Lebensdauernachweis. In »GJSlim« ermitteln sie zyklische Materialeigenschaften für die Ableitung von Erkenntnissen zum technologischen, spannungsmechanischen und statistischen Größeneinfluss von dünnwandigem Gusseisen mit Kugelgraphit.
Die Forschenden nutzen simulierte Gefügezustände, gleichen diese mit experimentell ermittelten Erkenntnissen ab und zeigen damit die Einflüsse von Gefügekennwerten und der Erstarrungszeit auf lokale zyklische Bauteilbeanspruchbarkeiten auf. Erst mit einer optimierten Lebensdauerabschätzung, welche durch ein zu entwickelndes Bemessungskonzept durchgeführt werden kann, wird die Umsetzung von sicheren und zuverlässigen Ultraleichtbaustrukturen möglich.
Das Forschungsvorhaben wird gefördert durch das BMWK aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Technologietransfer-Programms Leichtbau (TTP Leichtbau). Mehr Informationen zum Forschungsvorhaben »Entwicklung eines übertragbaren Leichtbaukonzepts zur Nutzung erhöhter zyklischer Beanspruchbarkeiten dünnwandiger GJS-Strukturen mit Hilfe eines Digitalen Zwillings – GJSlim« finden Sie hier auf der Webseite der RWTH Aachen.
Über das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF
Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt steht seit 1938 für Sicherheit und Zuverlässigkeit von Leichtbaustrukturen. Mit seinen Kompetenzen auf den Gebieten Betriebsfestigkeit, Systemzuverlässigkeit, Schwingungstechnik und Polymertechnik bietet das Institut heute Lösungen für drei wichtige Querschnittsthemen der Zukunft: Systemleichtbau, Funktionsintegration und cyberphysische maschinenbauliche Systeme. Im Fokus stehen dabei Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen, wie Ressourceneffizienz und Emissionsreduktion sowie Future Mobility, wie die Elektromobilität und das autonome, vernetzte Fahren. Die Auftraggeber kommen u.a. aus dem Fahrzeugbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, der Medizintechnik sowie der chemischen Industrie. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der rund 300 Mitarbeitenden und modernster Technologie auf mehr als 17 900 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche.
Quelle und Vorschaubild: Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF